Journalistische Freiheit: Der Reim des Anstoßes oder die unwürdige Würdigung

Journalistische Freiheit: Der Reim des Anstoßes oder die unwürdige Würdigung
Unsereins kann sich niemals sicher sein, wie die öffentliche Reaktion auf seine Produkte ausfallen wird. Stichwort: "Böse Leserbriefe" oder, zeitgeistgemäßer, "Shitstorm".

Vor allem kritische Journalisten mit der Tendenz zur Zivilcourage ernten regelmäßig wütende Kommentare von Andersmeinenden. Forderungen nach Entgegnungen, Selbstkritik, Bußübungen oder gar deren Kündigung werden laut. Auch in den eigenen Reihen, etwa innerhalb der Redaktion, müssen sich freche Schreiber kollegiales Missvergnügen an ihrer Arbeit gefallen lassen.

Gelegentlich war auch ich Zielscheibe von Ärger oder Spott meiner eigenen Zunftgenossen geworden. Zum Beispiel gab es jahrelang in der heimischen Satirepostille „Falter“ eine Kolumne mit dem Titel „John der Woche“, in der man sich gefiel, Zitate von mir – gerne auch manipuliert, entstellt und immer aus dem Zusammenhang gerissen – abgedruckt zu haben (Ich verbuchte dies freilich unter Gratiswerbung und war meist mehr amüsiert als verärgert).

Im eigenen Haus hingegen fanden meine Texte überwiegend kollegiales Wohlwollen bzw. freundliche Zustimmung. Aber einmal gelang es mir tatsächlich, innerbetrieblich einen kleinen Skandal auszulösen.

Würdigung auf Heinrich Heine

Und das kam so: Nachdem wir im Kulturressort beschlossen hatten, auf den 175. Geburtstag Heinrich Heines (Deutscher Dichter, Schriftsteller und Journalist 1797–1856) hinzuweisen, setzte ich mich an die Schreibmaschine, um eine entsprechende Meldung zu verfassen. Ich wollte besonders originell sein und wählte eine ausgefallene Reimform (siehe rechts), um den von mir sehr geschätzten Dichter zu seinem 175. Geburtstag zu gratulieren.

Und so erschien am 13. Dezember 1972 im KURIER meine Würdigung Heines. Ich hätte nicht im Traum gedacht, dass sie zum Reim des Anstoßes werden würde. Doch genau so war es. Als ich am nächsten Tag in den KURIER kam, schlug mir bei der Redaktionskonferenz dicke Luft entgegen. Besonders der damalige Kulturchef Karl Löbl versuchte, den Fall zu skandalisieren. Wobei nicht ganz klar war, worüber er sich am meisten empörte.

Einerseits befand er meine Art der Ehrung als respektlose, ungebührliche Anmaßung. Andererseits führte er die damals zwiespältige Sicht auf den Satiriker Heine und vor allem dessen damals immer noch zahlreiche Gegner ins Treffen.

Tatsächliche war wenige Wochen davor der Antrag, die Universität Düsseldorf nach dem berühmten Sohn der Stadt zu benennen, abgeschmettert worden. Auch einige andere meiner Kollegen äußerten Unmut, der darin gipfelte, dass man mir vorwarf, meine Dichtung würde wohl beide Lager – sowohl jenes pro und als auch kontra Heine – verärgern. Also alle. Meine Entgegnung, Heine wäre unter anderem Lieblingslektüre von Kaiserin Sisi gewesen, die sich übrigens bei ihren literarischen Ambitionen ebenfalls in dessen Reimform versucht hätte, wurde mit Spott und Hohn quittiert.

Leserproteste blieben aus

Doch der von meinen Gegnern prophezeite, öffentliche Protest blieb gänzlich aus. Keine wütenden Anrufe, keine giftigen Leserbriefe. Und auch ich blieb letztlich ungeschoren. Behilflich war dabei nicht zuletzt das KURIER-Redaktionsstatut (siehe Bericht links).

Inzwischen haben sich Heines Bewunderer durchgesetzt. Die Düsseldorfer Universität ist schließlich, wenn auch mehr als zehn Jahre später, doch noch 1988 nach ihm benannt worden.

Rudolf John

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