KURIER-Aufsichtsratsvorsitzender: "Pressefreiheit steht an oberster Stelle"

KURIER-Aufsichtsratsvorsitzender: "Pressefreiheit steht an oberster Stelle"
Erwin Hameseder ist Aufsichtsratsvorsitzender beim KURIER. Wie er das Medienhaus zum 65er sieht, was dessen Schatz und dessen Herausforderungen sind und wo es hingehen wird – ein Gespräch zum Jubiläum.

Die Medienlandschaft, sagt Erwin Hameseder, ist in einem Transformationsprozess – und das betrifft auch den KURIER. Anlässlich des 65. Geburtstages spricht der Aufsichtsratsvorsitzende über seine Historie mit der Zeitung, über jüngere Zielgruppen und digitalen Wandel, über die MediaPrint und das Engagement von Raiffeisen beim Medienhaus.

KURIER: Sind Sie in einem KURIER-Haushalt aufgewachsen?

Erwin Hameseder: In meinem Zuhause hat es den KURIER noch nicht gegeben. Aber ich kann mich gut erinnern: In der 7. Klasse Gymnasium haben wir uns im Zuge des Geschichtsunterrichts erstmalig mit Boulevard- und Qualitätszeitungen beschäftigt. Und da war der KURIER natürlich mit dabei.

Wie war damals Ihr Eindruck von der Zeitung?

Der KURIER hat völlig anders ausgesehen! Ich würde sagen, es gab weniger Tagespolitik, mehr Hintergründe. Das war Mitte der 70er, also nicht mehr vergleichbar. Aber der KURIER wurde bereits damals als Qualitätsmedium bezeichnet.

Seitdem hat sich viel getan: Den KURIER gibt es nicht mehr nur als Zeitung, sondern auch online und als ePaper, es gibt hauseigene Magazine und vieles mehr. Wie konsumieren Sie den KURIER heute?

Jeden Tag um sechs Uhr in der Früh steige ich ins Auto ein – und da habe ich den KURIER als ePaper auf meinem iPad. Und wenn ich am Vortag spät unterwegs bin, lese ich schon die erste Ausgabe. Da muss ich aber sagen: Da fehlt mir die Abend-Printausgabe, die es ja früher gegeben hat. Oft, als ich in Wien weggefahren bin, habe ich mir noch rasch die Abendausgabe besorgt. Ich gehöre schon zu jenen, die die Zeitung sehr gerne in der Hand halten. Aber das ePaper funktioniert wunderbar – und verzeichnet großartige Steigerungen, im Vergleich mit dem Vorjahr ungefähr 30 Prozent mehr Abonnements. Das ist eine tolle Entwicklung. Und spricht in erster Linie natürlich auch jüngere Leserinnen und Leser an.

Bietet die Zeitung das, was man lesen will?

Der KURIER ist für mich nach wie vor – und immer besser! – die Qualitätszeitung. Der KURIER wird sehr häufig von anderen Medien zitiert, und das passiert nicht einfach so, sondern deshalb, weil die Themen, die den Leser beschäftigen, intensiv und objektiv recherchiert werden, Hintergründe beleuchtet werden. Das macht es aus! Aber klarerweise: Die Medienlandschaft ist in einem Transformationsprozess. Das betrifft auch das KURIER Medienhaus insgesamt, alle Medien, die da vereinigt sind. Das ist eine große Herausforderung – und andererseits bietet das ganz tolle Chancen.

Wir müssen junge Leserinnen und Leser noch mehr begeistern. Und da spielen die digitalen Produkte die zentrale Rolle.

Wie soll man sich der Herausforderung der Digitalisierung stellen?

Es geht um Flexibilität, Inhalte je nach Kanal und Zielgruppen aufzubereiten. Das ist die Kunst. Ich habe mich sehr gefreut, den neuen Newsroom zu besichtigen. Das ist eine moderne Entwicklung und das ist es, was es braucht. Der KURIER muss in solchen Bereichen Leader sein, den Takt vorgeben und nicht hinterherhinken. Wir sind da auf einem wirklich sehr guten Weg.

Die Digitalisierung betrifft ja nicht nur die Medien, sondern auch das Bankwesen. Ist das vergleichbar?

Das ist sehr, sehr vergleichbar! Die Digitalisierung ist ein Faktum. Es hat überhaupt keinen Sinn, sich dagegen zu wehren. Ganz im Gegenteil: Die Mitarbeiter mitzureißen, mit auf den Weg zu nehmen, die Chancen zu analysieren und das Richtige in die Tat umzusetzen, gilt für das Bankwesen genauso wie für die Medien. Wir müssen junge Leserinnen und Leser noch mehr begeistern. Und da spielen die digitalen Produkte die zentrale Rolle. Es müssen die Inhalte, die sich tagtäglich stellen, in Wirtschaft, Politik, Chronik, Sport und Kultur in Sekunden aufgegriffen werden, auf der digitalen Ebene entsprechend kommuniziert und kommentiert werden – und im analogen Bereich besteht dann die Chance, diese Inhalte noch viel tiefer zu beleuchten. So geht es nicht darum, dass das Digitale das Analoge ersetzt. Ich glaube, es wird weiterhin den KURIER haptisch geben. Ich gehöre dazu, insbesondere auch meine Generation, aber ich kenne viele junge Leserinnen und Leser, die sagen: Ich will den KURIER in der Hand haben. Aber auf der anderen Seite kann ich untertags jederzeit nachschauen, was sich in der Welt tut. Das gelingt natürlich nur im digitalen Bereich.

Sie glauben also an die Zukunft der gedruckten Zeitung. Wagen Sie eine Prognose, wie lange es die noch geben wird?

Das ist schwierig zu beurteilen. Aber mittelfristig – und damit meine ich die nächsten fünf bis zehn Jahre – bin ich sehr überzeugt davon, dass es einen gedruckten KURIER geben wird. Aber ich kann mich auch irren. Dass man jedenfalls die Inhalte noch weiter anpassen muss, wird wohl der Fall sein.

KURIER-Aufsichtsratsvorsitzender: "Pressefreiheit steht an oberster Stelle"

Es ist ja neben der Digitalisierung auch noch der einzigartige heimische Medienmarkt eine Herausforderung, mit dem großen Sprachnachbarn und dem großen ORF. Wie sehen Sie denn die medienpolitische Situation, bräuchte es mehr Presseförderung, ein neues Mediengesetz?

Als Eigentümer muss man davon ausgehen, dass Wettbewerb die einzelnen Produkte stärkt. Man wird stärker und nicht schwächer. Im Qualitätssegment ist das eine große Herausforderung, auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aber in letzter Konsequenz muss jedes Produkt für sich rentabel sein. Man kann diskutieren, mit welcher Rendite – darauf lasse ich mich jetzt gar nicht ein. Es gehört auch zur Freude dazu, dass ein Produkt nicht nur inhaltlich hervorragend ist, sondern die Leserinnen und Leser auch bereit sind, etwas dafür zu bezahlen. Das gilt für mich umso mehr für die digitale Seite: Kostenloser Content ist auf Dauer nicht interessant. Es kann das eine oder andere Produkt geben, das man kostenlos anbietet. Aber in letzter Konsequenz geht es darum, dass qualitativ hochwertiger Content etwas kosten muss.

Und die Rolle der Politik?

Die Politik muss weiterhin den Freiraum schaffen, das heißt: Die Pressefreiheit steht an ganz oberster Stelle. Solange das gewährleistet ist, können sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres KURIER Medienhauses und damit der Medienlandschaft in Österreich voll entfalten. Dass man immer wieder, auch aufgrund der Veränderungen im In- und Ausland, auf der gesetzlichen Ebene Diskussionen hat – das betrifft auch den ORF –, liegt in der Natur der Sache. Es ist aber nicht unsere Aufgabe als KURIER-Eigentümer, der Politik zu sagen, wie allfällig ein neues ORF-Gesetz auszusehen hat. Mir ist wichtig, dass der KURIER sich weiterhin erfolgreich am Markt etabliert. Denn das sichert Arbeitsplätze. Weil wir noch mehr junge Leser haben wollen, ist ein guter Mix aus erfahrenen und jungen Mitarbeitern genau der richtige Weg. Ich denke, dass die Zielgruppe des KURIER doch etwas verjüngt gehört. Der Mix aus Bewährtem und innovativen Ideen macht es aus. Da ist der KURIER gut unterwegs.

Der KURIER ist Teil einer großen Konstruktion, die in sehr anderer Zeit gegründet wurde. Was heißt denn das alles für die Zukunft der MediaPrint?

Oberstes Ziel für mich in der MediaPrint ist es, daran mitzuarbeiten, die Gemeinsamkeiten im Back Office noch deutlich zu verstärken, um einerseits im Kostenbereich noch besser zu werden und andererseits die Qualität im Servicebereich gegenüber unseren Leserinnen und Lesern noch weiter zu stärken.

Stichwort Zustellung.

Genau so ist es. Für viele ist es ganz wichtig, dass die Zeitung um 6 Uhr im Postfach liegt. Da nimmt man sie zum Frühstück heraus – das ist wirklich Komfort, das erwarten sich viele. Wir haben einen sehr hohen Aboanteil und das ist ein großer Schatz. Der KURIER ist mit knapp 120.000 verkauften Zeitungen die drittgrößte Kaufzeitung in Österreich. Davon sind 90.000 im Abonnement, da haben wir es mit sehr, sehr treuen Leserinnen und Lesern zu tun, die darf man nicht enttäuschen. Die muss man pflegen! Aufgabe der Mediaprint ist ganz klar, all das, was nicht direkt mit dem Verlag zu tun hat, optimal weiterzuentwickeln. Da spielt auch die digitale Seite in Zukunft eine ganz wesentliche Rolle. Dafür arbeiten wir sehr intensiv. Da hat es auch in der jüngsten Vergangenheit Fortschritte gegeben. Hier gilt es, dranzubleiben.

Haben Sie einen Geburtstagswunsch für den KURIER?

Der 65. ist ein wunderschöner halbrunder Geburtstag. Ich wünsche mir, dass wir eine kontinuierliche Reichweitensteigerung mit den Chancen der Digitalisierung schaffen. Wir haben zuletzt eine Trendumkehr geschafft – und wenn wir wieder dorthin kommen, wo der KURIER in den 80er-Jahren war, dann können wir uns alle wechselseitig gratulieren. Ich gratuliere aber heute schon ganz herzlich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, nicht nur zur Bereitschaft, diesen Transformationsprozess der Digitalisierung sehr aktiv mitzumachen. Sondern mein großer Dank gilt auch dafür, dass der KURIER in der österreichischen Medienlandschaft ein unverzichtbares Medium geworden ist. Ich bedanke mich auch herzlich beim Management – Geschäftsführung und insbesondere der jeweiligen Chefredaktion –, weil sie die Zielrichtung vorgegeben haben, die sich bis zum heutigen Tag bestätigt. Sonst könnten wir so ein schönes Fest gar nicht feiern. Alles Gute gemeinsam für die Zukunft. Klar ist: Raiffeisen ist ein nachhaltiger Eigentümer. Wenn es immer wieder Gerüchte gibt, dass wir allfällig aus dem KURIER aussteigen, sage ich Ihnen: Nein, wir sehen das als gesellschaftspolitische Verantwortung und wir werden den KURIER bei der Weiterentwicklung als Medienhaus weiter unterstützen.

Kommentare