Wallis Bird: Inspiriert von Randalierern
Das Meer, das in Irland an die Klippen klatscht, ein Wirbelsturm, Donner, Vogelgezwitscher und das Gezirpe von Grillen – Wallis Bird lässt in ihrem jüngsten Album Naturgeräusche die Atmosphäre schaffen. Allerdings nicht, ohne sie zu manipulieren. "Ich wollte die Umwelt und das Wetter auf die Platte holen", erklärt sie im KURIER-Interview. "Weil das aber schon so oft in Konzeptalben gemacht wurde, haben wir aus dem, was wir draußen aufgenommen haben, am Computer Beats gebaut oder einzelne Frequenzen herausgefiltert. Denn so ist auch das Leben: Es kann ehrlich und real, aber genauso auch fabriziert und auf Lügen aufgebaut sein."
Unfair
So mischen sich auf dem selbstbetitelten dritten Album nicht nur verfremdete Geräusche, sondern auch Elektronik in den bisher gitarrenlastigen Songwriter-Sound von Bird. Und neben den gewohnt nach vorne preschenden Songs gibt es auch nachdenkliche Geschichten. Bird fragt in "Polarised" nach der Fairness des Lebens, weil in ihrem Freundeskreis gerade "die wundervollste Person" einen langsamen, qualvollen Tod stirbt. Und in "But I’m Still Here, I’m Still Here" sinniert sie über die eigene Sterblichkeit.
Basis dafür war ein zehntägiger Aufenthalt in einem einsamen Cottage in Irland. "Ich dachte, ich bekomme ohne Auto, Telefon, Internet und andere Menschen anderen Inspirationen als zu Hause. Aber die Isolation hat mich übermannt und mir extreme Angst eingejagt. So hatte ich dort viele düstere Gedanken und konnte nur wenig schreiben konnte."
Wieder zurück in ihrem Haus im Londoner Problem-Bezirk Brixton kam die Inspiration in Form der Jugendkrawalle. "Da wurden 3500 junge Menschen verhaftet. Mein Haus wurde zu einem Zufluchtsort vor dieser Polizeigewalt, ich habe viele Aufständische versteckt. Denn das war so überflüssig. Das sind Menschen, die verwirrt sind, weil ihnen die Gesellschaft sagt, dass sie nichts sind, wenn sie nicht bestimmte Autos fahren oder diese und jene Kleider tragen. Gleichzeitig aber verwehrt man ihnen die Ausbildung und die Jobs, mit denen sie das erwerben können. Mein Haus war voll mit all diesen Teenagern, die mir von ihrer unterschiedlichen Herkunft und ihren Beweggründen erzählten. Das hat die Schreibblockade gelöst."
Aber auch in ihrer Lieblingsstadt Berlin hat die 30-Jährige neue Inspiration gefunden. Sie mietete sich in einem Studio ein, das in ein Gebäude des DDR-Staatsrundfunks gebaut wurde. "Daher kommen die Gedanken über Information und wie man damit manipulieren kann, die sich durch viele der neuen Texte ziehen. Die Idee, Inspiration zu finden, wenn ich mich aus meiner privaten Sicherheitszone rausbewege, hat also schon funktioniert – nur nicht in meiner Heimat Irland."
Zur Person: Unfall erzwang eigenen Stil
Karriere: Wallis Bird wurde am 29. Jänner 1982 in Irland geboren. Als Baby fiel sie unter den Rasenmäher, dabei wurden die Finger der linken Hand abgetrennt. Bis auf den kleinen konnten alle wieder angenäht werden. Als Resultat musste sie auf der Gitarre ihre eigene Spielweise entwickeln.
Live: Wallis Bird tritt am 21. März im Wiener Flex auf, am 10. Juli mit Gossip auf der Burg Clam.
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