Guns N’ Roses in Graz: Quantität vor Qualität

Guns N’ Roses in Graz: Quantität vor Qualität
Kritik - Mit ziemlicher Verspätung kommt Axl Rose dann doch noch mit passablen Musikern auf die Bühne. Zwischen Mitleid und Enttäuschung.

Warten. Eine Viertelstunde. Ein halbe. Noch eine halbe. Es ist nichts Neues, dass Axl Rose, Frontmann von Gun N’ Roses, nie pünktlich auf die Bühne kommt. Vielleicht gab es deshalb beim Seerock-Festival am Schwarzlsee bei Graz erst nach 45 Minuten Verspätung erste Unmuts-Pfiffe unter den 15.000 Besuchern. Das Gros davon sind ältere Semester, die wohl schon 1992 beim legendären Auftritt der Band auf der Wiener Donauinsel dabei waren, ihre verwaschenen, verblichenen T-Shirts von damals verraten das. Aber auch Mittzwanziger sind hier – stolz mit dem Gunners-Logo auf den fabrikssteifen, heute gekauften Shirts, in fiebriger Erwartung dessen, wovon ihnen der Papa Jahre vorgeschwärmt hat.

 

Ausschweifend

20 Minuten vor elf ist es schon, als dann doch endlich Leben auf die Bühne kommt: Da sind sie, die Guns N’ Roses von heute: Bruce William "Axl" Rose mit passablen Musikern, aber keinem einzigen Mitstreiter mehr aus der legendären Phase von vor 20 Jahren. Vom ersten Song an ist klar, dass das trotz des gleichen Namens eine andere Band ist. Drei Gitarristen ersetzen Slash, den Saiten-Zauberer von damals – und können doch nie die funkensprühende Spannung rekreieren, die Guns N’ Roses hatten, als Slash und Axl gemeinsam auf der Bühne standen. Stattdessen gibt es Explosionen und Flammenwerfer.

Noch schlimmer: Die stimmliche Verfassung des Sängers. Er krächzt in den hohen Tönen, oder kreischt sie ins Mikro. Immer wieder geht er von der Bühne, lässt jeden einzelnen der Musiker ausschweifend solieren. Immerhin, wenn er zurückkommt klappt es mit der Stimme wieder besser. Punktweise flackert dann das alte Feuer auf, "Sweet Child Of Mine" gelingt ihm ganz gut, auch "Civil War". Aber "November Rain" verhaut er wieder komplett.

Fast drei Stunden ackert sich Rose so durch das Set, kämpft mit sich und dem schlechten Sound, während die Band routiniert, aber uninspiriert ihr Ding abspult. Das erstaunlich dankbare Publikum will die Mühen goutieren, freut sich über die Hits. Aber richtig Stimmung kommt erst sehr spät auf. Und während die in den verwaschenen Shirts zwischen Mitleid und Enttäuschung pendeln, fragen sich die in den fabrikssteifen wohl: "Was findet mein Alter nur an denen?"

Kommentare