Guetta in Wien: Der unbeschwerte Go-go-Boy

Im Laufe des Abends rief Guetta bei seinem ersten Wien-Openair seine größten Hits (und mehr) von der Speicherkarte ab. Da kam beim Wiener Publikum dann auch ein wenig Ibiza-Stimmung auf.
Ein Mann dreht an kleinen Knöpfen, winkt freundlich – und rund 40.000 Menschen haben einen guten Abend: David Guetta war in Wien.

Popstar müsste man sein, da kriegt man "Geld für nichts", maulten die Neidhammeln schon vor einem Vierteljahrhundert im Dire-Straits-Song "Money For Nothing". Das war (Herr Guetta, ihr Auftritt!)  nie wahrer – und ist immer noch grundfalsch. Was macht David Guetta eigentlich auf der Bühne? Es ist egal. Einzig im Metal (und offenbar  bei Madonna-Fans) gilt die hemdsärmelige "Ich spiele Tausend Noten pro Minute"- bzw. "Ich singe live"-Arbeitsmoral noch als jener Gegenwert, den man mit dem Kauf einer Eintrittskarte ersteht. Aber eigentlich erwirbt man Unterhaltung – und die hat Guetta geboten, ganz ohne sich zu schämen. Immerhin hat er vier freundliche Wink-Posen drauf und kann seine Hände zum Herz formen! "Je weniger einer hat, desto höher muss er’s halten", schrieb schon Doderer.

Phänomen

Guetta ist ein Phänomen: Er beherrscht die Hitparaden mit Songs wie "When Love Takes Over" oder "I Gotta Feeling", die Größen des Breitenpop stehen Schlange, um mit ihm zusammenzuarbeiten. Wohlig simpel ist das Hit-Schema, das den freundlichen Franzosen zum Chartstürmer gemacht hat: Gebt mir fünf Noten und einen Gemeinplatz über die Liebe, und ich mache euch einen Song; wie in der volkstümlichen, so auch in der DJ-tümlichen Musik.  Da mögen die weniger erfolgreichen Kollegen an den Turntables noch so toben ("Ausverkauf!"): Alchemist Guetta verwandelt das unerschöpflichste Element des menschlichen Zusammenlebens, die Banalität, in Freude (und in ein Jahreseinkommen von 13,5 Millionen Dollar). Das muss man mal schaffen, und ja, das ist eben (auch) Pop.

All inclusive

Beim Konzert ist Guetta dann das, was den älteren Semestern ihr Animateur im All-inclusive-Club ist: ein Freudenspender. Und weniger streng als etwa Taboo von den Black Eyed Peas, der bei der Starnacht der DJs in der Krieau zuvor als  superfitter Vorturner den Leistungskurs  "Ausdrucksgymnastik für Fortgeschrittene" abgehalten hat. Umgeben von goldenen Erotikengerln  mit Müllsäcken an den Füßen. Guetta hingegen hilft dabei, ungezwungen und völlig gedankenfrei dem Gute-Laune-Diktat des Samstagabends zu gehorchen: ein DJ als Go-go-Boy der Unbeschwertheit. So versammelte sich also das Großraumdisco- und das Formatradiopublikum, lustige Abendsonnenbrillen, lustige Tanzbewegungen und lustige Lustigkeit inklusive.

Eigentlich war zwar erst Vorglüh-Zeit, aber der DJ hatte noch andere Verpflichtungen als diesen Wiener Auftritt; gleich danach, um Mitternacht, musste in Frankreich aufgelegt werden, der Privatjet wartet. Also: alles Party!  Das klappte, nach einem anfänglichen Durchhänger, auch zunehmend gut. Von Guettas Speicherkarte kamen seine größten Hits  und ähnlich klingende Musik seiner Produzentenkollegen. Wenn er ruppig am Lautstärkenregler drehte, sangen alle brav mit, und das Wetter hielt – nach vorhergehender Staub- und dann Wet-T-Shirt-Party.

"40.000 Menschen – unglaublich!", ruft Guetta letztlich freudig über die zum standardisierten Konzertgelände verwandelte Krieau hinweg. Die komplexeren Botschaften ans Publikum schreibt Guetta kundenfreundlich auf kleine Taferln: "Ich will eure Hände sehen!", "Seid wild!", "Wien, ich liebe dich!"

Knöpferlruhm

Niederschwelliger kann Kultur nicht sein. Auch vonseiten des Ausführenden: Guetta ist Popstar, und wenn er das kann, können wir das alle, so wie bei diesen Konsolenspielen, wo man sich durch zeitgerechtes Drücken von fünf verschiedenen Knöpfen schon als Gitarrist fühlen darf. Auch Guetta dreht derart überzeugend an mindestens fünf verschiedenen Knöpferln, dass man das für musikalischen Einsatz halten könnte. Aber das ist in Ordnung: Wer noch nie Arbeit vorgetäuscht hat, der hebe die Hand. Das Publikum jedenfalls war euphorisch, und irgendwie ist es letztlich eine schöne Botschaft, wie einfach Menschen glücklich zu machen sind.

KURIER-Wertung: *** von *****

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