Wie zwei Wiener Unternehmen aus Müll Möbel produzieren
Es kann gut sein, dass Romana Fürst gerade am Verkaufspult hämmert oder Polsterarbeiten durchführt, wenn man den Shop betritt. Hier im „Kellerwerk“ in der Wiener Gumpendorfer Straße entstehen Möbel und Accessoires in Handarbeit – und aus Dingen, die andere Menschen nicht mehr benötigen oder entsorgen. Die beiden Inhaber, Romana Fürst und Sascha Johannik, sind gelernte Tischler. Sie reparieren diese Dinge, manchmal werden sie auch zweckentfremdet.
Die Idee, aus Nicht-Gebrauchtem neue Möbel zu fertigen, kam Sascha Johannik während eines zweijährigen Aufenthaltes in Westafrika, wo er eine Tischlerei leitete. Die Menschen dort reparierten – auch aufgrund mangelnder Alternativen – kaputte Gegenstände oder schufen Neues daraus. Dieser Upcycling-Gedanke gefiel dem Handwerker so gut, dass er gemeinsam mit seiner Partnerin vor über fünf Jahren das „Kellerwerk“ in Wien eröffnete.
In dem ehemaligen Wirtshaus, das die beiden Unternehmer zu einem lichtdurchfluteten, liebevoll renovierten Verkaufsraum umgestaltet haben, finden sich ein Sofa mit einem Gestell aus alten Wasserrohren, eine restaurierte Kommode aus einer aufgelassenen Wiener Buchbinderei oder ein zur Blumenvase umfunktionierter Holzhobel. „Unser Sortiment ist immer davon abhängig, was wir finden“, sagt Johannik. Das mache die Arbeit nie eintönig, da man nie genau wisse, worauf man stoße.
Die Ausgangsmaterialien bekommen die beiden Tischler oft von Privatpersonen. „Teilweise haben wir auch Glück bei Hausräumungen und es offenbart sich ein Jackpot“, sagt Johannik. Am häufigsten sind es zerschlissene Sitzmöbel, denen er und Romana Fürst wieder zu neuem Glanz verhelfen. Sie finden jedoch für jedes Stück eine Idee, wie dieses als Wohnaccessoire wieder für Freude sorgen kann, etwa die gerade fertiggestellten Lampen aus alten Whiskeyflaschen.
Upcyling-Shop der anderen Art
Hier bei "Trashdesign" verarbeiten die Mitarbeiter nicht nur eine Tonne Elektroschrott im Jahr zu neuen Möbeln und Accessoires, sondern es steht auch der soziale Gedanke im Vordergrund. Als sozialökonomischer Betrieb der VHS-Wien und im Auftrag des AMS Wien bietet das Demontage- und Recycling-Zentrum, zu dem „Trashdesign“ gehört, arbeitsuchenden Menschen Unterstützung, um wieder ins Berufsleben einzusteigen. Den Transitarbeitskräften, die sechs Monate in der Upcycling-Werkstatt tätig sind, soll so Arbeitsroutine, Pünktlichkeit und Stabilität in Zusammenarbeit mit Sozialarbeitern nähergebracht werden. Der Betrieb wiederum profitiert von den vielen verschiedenen Fertigkeiten und dem vielseitigen Erfahrungsschatz der Mitarbeiter.
Kein Basteln
Michael Weber, für das Produktdesign verantwortlich, spricht vom „Einkaufen“ in der Demontage, wenn er über die Anschaffung der Materialien für die Arbeit in der Werkstatt spricht. Genug Auswahl gibt es. Im Erdgeschoß des Demontage- und Recyclingzentrums landen 18 Prozent des Wiener Elektroschrotts, das sind sechs Tonnen Schrott am Arbeitstag. Die Mitarbeiter hier sortieren Leiterplatten nach Farben und schlichten Waschmaschinentrommeln und -bullaugen in unterschiedliche Container. Diese Stücke landen dann in der Werkstatt von Weber.
„Wir versuchen, dass die Zerlegtiefe so tief wie möglich ist“, sagt er – immerhin gehe es darum, möglichst viel zu verwerten. Eine „Trashdesign“-Handtasche etwa besteht aus so vielfältigen Komponenten wie unter anderem einem Motherboard, Waschmaschinenblech, einem LED-Lichtschlauch und einer Lkw-Plane. Der kostspielige Preis der Handtasche ergibt sich nicht aufgrund der ausrangierten Teile, sondern der Arbeitskraft – immerhin steckt eine Woche Arbeit in dem Accessoire.
„Es geht hier aber nicht ums kreative Austoben oder Basteln“, sagt Katharina Lenz vom Qualitätsmanagement. Denn es sei besonders wichtig, eine qualitativ hochwertige Serienproduktion zu gewährleisten . Eine Besonderheit in der Upcycling-Branche: Es ist normalerweise schwierig, genügend Ausgangsmaterial für Serienmöbel zur Verfügung zu haben. Dennoch überlegt sich Produktentwickler Michael Weber ständig etwas Neues, da die Käufer zum Großteil aus Stammkundschaft bestehen – und weil auch Elektroaltgeräte dem technischen Wandel unterliegen.
„Früher haben wir Schmuck aus Handytasten gemacht“, sagt Weber. Das ist in Zeiten von Smartphones nicht mehr möglich. Er sei froh, dass wenigstens Computer noch nicht sprachgesteuert seien, scherzt er. Bei Möbeln und Einrichtungsgegenständen sei der Anspruch, dass sie „cool“ ausschauen und zugleich alltäglich nutzbar sind. Wie etwa der Bestseller, ein sandgestrahltes Bullauge einer Waschmaschine, das aufgrund der Hitzebeständigkeit sogar als Lasagne-Auflaufform nutzbar ist.