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Lernen lernen: Hirnforscher Sandkühler erklärt, wie es geht

Diesen Satz hat wohl jeder in seiner Schulzeit gehört: Die Wiederholung ist die Mutter allen Lernens. Doch diese alte Weisheit ist ein Mythos – zumindest teilweise, wie der Hirnforscher Jürgen Sandkühler von der MedUni Wien weiß. Er spricht lieber von der „Schwiegermutter allen Lernens“.

Warum das? „Wiederholen ist eine mögliche Lernmethode, aber nicht die beste.“ Denn damit etwas dauerhaft in unseren Köpfen verankert bleibt, brauchen Dinge eine Bedeutung in unserem Leben. Nichtssagende Fakten vergessen wir ganz schnell. Das weiß jeder aus Erfahrung: Einen Namen, den man als nicht wichtig erachtet, löscht man sofort aus dem Gedächtnis. Dasselbe gilt für Gesichter. Aber, werden Sie liebe Leser, jetzt einwenden: „Ich habe einst Vokabeln gelernt, indem ich sie wiederholt habe“. Stimmt. Allerdings bedienen Sie sich da eines Tricks, gibt Sandkühler zu bedenken: „Durch die Wiederholung gaukeln wir dem Gehirn vor, dass diese Wörter wichtig sind. So gewinnen sie scheinbar an Bedeutung“.

Traumatische Erinnerung

Dass man etwas nur einmal erlebt haben muss, um es nie wieder zu vergessen, weiß jeder Traumapatient: „Diese Menschen  würden ihre Traumata gerne loswerden, schaffen es aber nicht,  weil das Ereignis einen überwältigenden Eindruck hinterlassen hat“, erklärt der Hirnforscher.
Eine Erfahrung, die man niemandem  wünscht. Es geht aber auch anders: Durch positive Erlebnisse bleiben Fakten ebenso im Gedächtnis.  „Talentierte Redner geben einer Sache oft Bedeutung, indem sie einen extrem positiven  Kontext herstellen, also z. B. eine gigantische Bühnenshow liefern oder Geschichten mit völlig überraschenden Wendungen erzählen.“

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Zur Person: Jürgen Sandkühler

Er ist Leiter des Zentrums für Hirnforschung der Medizinischen Universität Wien. Sein Spezialgebiet ist die Schmerzforschung: "Da gibt es einen Mechanismus wie beim Gedächtnis. Die Vorgänge, die beim kognitiven Lernen eine Rolle spielen, sind auf der Zellebene beim Schmerz ganz ähnlich - die Vorgänge spielen sich dann nicht im Hirn, sondern im Rückenmark ab."

 


Kein Bezug zum Leben

Doch weil wir über Jahrhunderte durch stupides und freudloses Wiederholen gelernt haben, machen wir das heute noch so – auch in der Schule. Dort fehlt den jungen Menschen oft jeder Bezug zum Lernstoff. „Schauen Sie sich die Lehrpläne an: Die sind voll mit Dingen, die für Kinder nicht im Geringsten relevant sind.“ Sie lernen nicht für das Leben, sondern für die Noten. Folge: „Dinge werden schnell vergessen. So schützt sich das Gehirn davor, sich mit irrelevant scheinenden Fakten zu belasten.“ Schlussfolgerung des Hirnforschers: „Man sollte sich auf Relevantes beschränken.“

Wirklich? Für Jugendliche ist vielleicht die neuste App relevant, aber nicht das Hebelgesetz, das sie in Physik durchnehmen: „Dieses klassische Lernen nach Fächern, wo man von 8 bis 9 Uhr Mathematik hat, von 10 bis 11 Uhr Physik, und das ohne jeden inneren Zusammenhang und ohne Bezug zur Lebenswirklichkeit der Kinder, ist ein altmodischer, hinterwäldlerischer Zugang zum Lernen“, ärgert er sich. Es sei die Aufgabe der Lehrer und Eltern, den Dingen einen Sinn zu geben. „Nicht einfach, aber möglich.“

Beispiel: „In der Physikstunde können Kraft, Hebelgesetz oder Druck schnöde Theorie sein. Aber man kann diesen Dingen eine Bedeutung für den Alltag der Schüler geben. Interessieren sie sich z.B. gerade für Mopeds, kann man anhand des Fahrzeugs diese physikalischen Grundsätze erklären. So verstehen sie die Theorie und sie bleibt im Kopf.“ Klar: Man kann vom Lehrer nicht erwarten, dass er jedes Faktum mit einer Bühnenshow präsentiert. Er kann Schülern aber sagen: „Um ein bestimmtes Ziel zu erreichen (die Reparatur eines Mopeds), brauchen wir einen Werkzeugkasten an Wissen. Deshalb lernen wir jetzt diese physikalischen Gesetze.“

Bringt Wiederholung also nichts? Doch – beim „impliziten Lernen“, wenn nicht Fakten, sondern z.B. Bewegungsabläufe gelernt werden. Das kann man bei Kindern beobachten, die z.B. laufen lernen.

Bis ins hohe Alter

Fakten und Bewegungsabläufe – der Mensch kann bis ins hohe Alter lernen. Dass man als Senior keine Muskeln mehr aufbauen kann, sei ein Mythos: „Es ist nur alles eine Frage des Aufwandes. Das gilt für Muskeln und Gehirn gleichermaßen“, weiß der Hirnforscher. Wie gut z. B. das Kurzzeitgedächtnis funktioniert, sehe man, wenn ältere Menschen Auto fahren oder sich in einer fremden Stadt zurecht finden.

Aber dennoch haben viele das Gefühl, dass Kinder besonders schnell lernen. Stimmt das also nicht? „Natürlich lernen Kinder schnell und viel. Ihre Gehirne sind enorm plastisch. Und für vieles gibt es Zeitfenster, etwa für die akzentfreie Sprachentwicklung. Zwei- bis Dreijährige können mühelos ein paar Sprachen parallel lernen, weil das Gehirn offensichtlich darauf vorbereitet ist. Anderes wie mathematische Funktionen kann das Gehirn erst später verstehen.“

Wie viel und wie schnell wir lernen, sei allerdings auch – aber nicht nur – eine Frage der Gene. Wobei Intelligenz nicht unbedingt mit einem guten Gedächtnis korrelieren muss: „Denken Sie an den zerstreuten Professor, der alles vergisst, während der Elefant nur ein sprichwörtliches Gedächtnis hat.“