Klimawandel: "Die Wissenschaft macht Druck"
Ja, man habe sie zur Präsentation eingeladen. „Ob dort aber meine Meinung gefragt ist, ist eine andere Geschichte.“ Helga Kromp-Kolb nimmt es mit Humor, obwohl ihr als Klimaforscherin das Lachen längst vergangen sein müsste. Zum x-ten Mal kündigt die Politik an, es ab sofort mit dem Klimaschutz ernst zu meinen – jetzt aber wirklich! Heute stellt die Regierung jedenfalls ihre Klima- und Energiestrategie vor (die eingangs angesprochene Präsentation). Das Papier wird von Umweltministerin Elisabeth Köstinger und Infrastrukturminister Norbert Hofer verantwortet, soll Grundlage für Österreichs künftige Klimapolitik sein – und wird bereits im Vorfeld heftig kritisiert. Hoch an der Zeit also, die Klimaforschung in Person von Helga Kromp-Kolb zu fragen, was das Klima tatsächlich zum Gesunden braucht.
KURIER: Mit dem Pariser Abkommen einigte sich die Weltgemeinschaft 2015, den Ausstoß von Treibhausgasen so stark einzudämmen, dass die globale Erwärmung bei weniger als zwei Grad, idealerweise bei 1,5 Grad, gestoppt wird. Die Klimastrategie, die heute präsentiert wird, fixiert Österreichs Weg dorthin. Glauben Sie an ein Gelingen?
Helga Kromp-Kolb: Meine Information stimmen mich pessimistisch. Angeblich fehlt es an konkreten Maßnahmen mit zeitlichen Verantwortlichkeiten. Die Praxis zeigt aber, dass genau das notwendig ist: Das Ziel der Strategie muss klar definiert sein, sie muss einen konkreter Zeitplan enthalten, Verantwortlichkeiten klar festlegen. Weiters muss der Prozess transparent und partizipativ sein, rasch umsetzbare Maßnahmen müssen gleich umgesetzt werden, die mit langen Vorlaufzeiten sofort eingeleitet werden. Und der Prozess muss durch Forschung begleitet werden. Wenn man nur sagt, man will dieses und jenes Ziel erreichen, ohne festzulegen, bis wann und wer verantwortlich ist, fühlt sich keiner zuständig und man kann den Ball der Schuld bestens herumschupfen. Und das Problem ist nicht gelöst. Die wissenschaftliche Community macht jedenfalls Druck und bietet immer wieder Unterstützung an.
Welche Maßnahmen braucht es aus Forschersicht?
Man kann natürlich sagen, dass eine ökologische Steuerreform unabdingbar ist. Ich glaube das auch, aber vielleicht hat die Regierung völlig andere Ideen, wie sie das hinkriegt. Dann soll es mir auch recht sein. Es gibt aber einige Maßnahmen, die wirklich auf der Hand liegen – etwa kontraproduktive Subventionen einzustellen. In erster Linie geht es aber darum, fossile Brennstoffe zu besteuern, sodass sie teurer werden und so eine Lenkungsmaßnahme initiiert und in erneuerbare Energie investiert wird.
Bei uns passiert gerade das Gegenteil: Ölheizungen werden gefördert...
... ja, das ist doch verrückt. Damit erzeugt man etwas, das man Lock-in-Effekt nennt: Wer sich jetzt eine Ölheizung kauft, weil sie gefördert ist, wird sie nicht innerhalb von fünf Jahren wieder rausschmeißen. Er wird sie zehn, zwanzig Jahre behalten. Das heißt, wir brocken uns jetzt Emissionen ein und werden sie nicht ohne sehr viele zusätzliche Kosten wieder los.
Wie wichtig ist E-Mobilität?
Die sehe ich als Zwischenschritt. Nicht jeder der heute einen Benziner oder Diesel fährt, kann dann ein E-Mobil haben. Wir müssen zu einer anderen Art von Mobilität kommen. Es geht auf Dauer auch nicht, dass wir weiter so viele Güter transportieren.
Sie verlangen da etwas, das Menschen gar nicht mögen – Veränderung. Ist das ein Grund, warum das Thema Klimawandel so unpopulär ist?
Sicher. Gewohnheiten zu verändert, ist immer mit Angst verbunden und schwierig. Aber wenn man es getan hat, fragt man sich sehr oft: „Warum habe ich das nicht schon viel früher getan?“ Diese Ermutigung, dass das es nicht nur um Verzicht und Kosten geht, die dringt nicht durch. Die Politik sieht das als ungeliebtes Thema, mit dem man keine Wahlen gewinnt. Dabei könnte es d a s Thema für die Erneuerung sein. Änderungen kann man versuchen, auf verschiedenen Ebenen zu erreichen. Das so genannte Eisberg-Modell nennt als oberste Stufe Sichtbares wie die Earth (weltweit wird Ende März für eine Stunde das Licht abgedreht) . Darunter sind Dinge, die das Bewusstsein ändern – Programme wie „Mit dem Rad zur Arbeit“ etwa, wo die Leute immer wieder zum Radeln animiert werden.
Und Leihräder von der Gemeinde?
Die gehören schon in die Kategorie der veränderten Strukturen. Und ganz unten sind dann die mentalen Konzepte. Und die ändern sich am schwersten. Aber wenn ich erst mal im Kopf drinnen habe, dass das Leben schöner sein kann, wenn ich mich weniger nach dem Besitz orientiere und stärker nach inneren Werten, verändert sich sehr viel. Dann brauche ich auch nicht jedes Jahr ein neues Handy, kein größeres Auto...
... damit sind wir mitten im gesellschaftlichen Wandel ...
... genau. Wir nennen das die Transformation der Gesellschaft. Denn letztlich geht es genau darum: Die kann nicht ausbleiben und wird auf jeden Fall stattfinden, weil die natürlichen Ressourcen durch den Klimawandel knapp werden. Die Frage ist: Lassen wir das über uns hereinbrechen oder gestalten wir es.
Wie steht Österreich denn in Sachen Klimawandel da?
Wir sind in Europa ganz eindeutig am hinteren Ende der Skala. Wir stimmen ganz oft mit Polen gemeinsam. Und Polen ist der notorische Kohleverteidiger. Nicht nur, dass wir nicht Musterschüler sind, wir sind Bremser.