Psychologin erklärt: Wie man Kindern die Angst vor dem Coronavirus nimmt
Täglich neue Ansteckungsfälle, Menschen in Quarantäne, vorübergehend geschlossene Schulen: Am Coronavirus kommt derzeit kaum jemand vorbei. Das kann Kinder beunruhigen.
Im Interview erklärt Kinderpsychologin Karoline Wekerle, wie Mütter und Väter ihren Kindern Sorgen und Ängste nehmen können.
KURIER: Als Erwachsener ist man derzeit mitunter schon verunsichert, wenn jemand in der U-Bahn heftig niest oder hustet. Wie erleben Kinder die momentane Situation?
Karoline Wekerle: Für Kinder ist das Coronavirus ohne Zweifel derzeit ein sehr präsentes Thema. Einfach, weil es aktuell zum Alltag gehört, dass in der Schule oder im Kindergarten darüber gesprochen wird und auch in den Medien viel darüber berichtet wird.
Kinder hören im Kindergarten oder der Schule vielleicht Beunruhigendes und werden mit neuen Hygieneregeln konfrontiert. Was können Eltern tun, um ihnen potenzielle Ängste zu nehmen?
Wichtig ist – und zwar unabhängig vom Alter –, dass man das Gespräch mit Kindern und Teenagern sucht und ihnen altersgerecht erklärt, wie die aktuelle Lage ist. Wichtig zu betonen ist hier, dass das Risiko einer Ansteckung in Österreich derzeit gering ist. Es gibt nur wenige Erkrankte in einer großen Bevölkerung. Diese Relation sollte man Kindern anschaulich machen. Die Information, dass nach derzeitigem Wissen Kinder eigentlich nur ganz selten und wenn dann sehr leicht erkranken, kann ebenfalls Ängste nehmen.
Über allem steht, dass man die Ängste der Kinder nicht als unwichtig abtut. Erkennt man als Elternteil eine übertriebene Sorge bei sich selbst, kann das auf die Kinder überspringen. Auch dessen sollte man sich bewusst sein.
Sollte man Kindern sagen, dass schon Menschen an dem Virus gestorben sind?
Das halte ich nicht für vorrangig wichtig. Das tut man bei der saisonalen Grippe an sich auch nicht. Wenn Kinder allerdings gezielt danach fragen, sollte man näher darauf eingehen, dass Menschen daran gestorben sind, dies aber selten vorkommt. Man sollte es den Kindern schon gut erklären, damit vor allem kleinere Kinder keine falschen Schlüsse ziehen. Das schürt erst wieder Ängste, die vielleicht nicht das Kind selbst, aber zum Beispiel dessen Großeltern betreffen.
Falls das Kind wirklich große Sorge um die Großeltern haben sollte, kann man ihm verständlich machen, warum kein Grund zur Angst besteht. Weil Oma und Opa nicht verreist waren, etwa. Relevanter ist, den Kindern den Ansteckungsweg zu schildern und zu betonen, dass man sich gut selbst schützen kann, wenn man sich oft und gut die Hände wäscht und andere Hygienemaßnahmen einhält. Das wird derzeit in Schulen und Kindergärten verstärkt gemacht.
Es wurden auch schon Schulen wegen des Coronavirus geschlossen. Wie kann man Kindern derart rigorose Maßnahmen oder das Konzept Quarantäne erklären?
Das sind einfach Schutzmaßnahmen, die als solche benannt werden sollten. Und die gibt es deshalb, weil man nicht möchte, dass viele Menschen sich anstecken. Deshalb ist man vorsichtig.
Soll man das Thema als Elternteil selbst ansprechen oder auf Fragen der Kinder warten?
Ich würde es schon ansprechen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein Kind etwas davon mitbekommen hat.
Stichwort Fake News und Verschwörungsinfos beziehungsweise Kettenbriefe, die derzeit im Netz zum Virus kursieren: Wie kann man Kinder, die bereits online sind und ein Smartphone haben, im Umgang schulen?
Da geht es um die grundsätzliche Anleitung zur Internetnutzung beziehungsweise Medienkompetenz: Etwa, dass man nur seriöse Quellen nutzen sollte und den Kindern zeigt, wie man diese von anderen unterscheidet. Wenn man merkt, dass ein Jugendlicher sich darin verrennt, kann man zu verstärkten Maßnahmen greifen und einen Infostopp einführen – gewisse Apps für eine Weile stilllegen, um das Kind zu beruhigen. Es lohnt sich sicherlich, seriöse Nachrichten gemeinsam mit den Kindern zu konsumieren und zu besprechen.
Wie sieht es mit Kindern und Jugendlichen aus, die an einer psychischen Erkrankung leiden? Sind sie eher in Gefahr Ängste zu entwickeln?
Grundsätzlich gilt: Wenn mein Kind an einer psychischen Erkrankung leidet, muss ich als Elternteil noch sorgsamer im Umgang sein und versuchen, eine potenzielle Verschlechterung des Zustandes abzufangen. Natürlich können sie verstärkt zu einer hysterischen Reaktion neigen. Das hängt aber auch wieder stark davon ab, wie zuhause mit dem Coronavirus umgegangen wird. Ob die Eltern schon Hamsterkäufe getätigt haben und Menschenansammlungen panisch meiden – oder ob sie sich informieren und wachsam sind.
Wie umgehen, falls das Kind wirklich am Virus erkrankt und Angst bekommt?
Es gibt genaue Anweisungen des Gesundheitsministeriums, die sind primär zu beachten. Natürlich wird man einen sehr sensiblen Umgang mit dem Kind versuchen, ihm Rede und Antwort stehen und empathisch auf seine Sorgen bezüglich der unbekannten Erkrankung eingehen. Eltern sollten hier jedenfalls als Vorbilder agieren. Denn Kinder sind loyal und schwingen emotional automatisch mit dem Elternteil mit.