Wissen/Gesundheit

Coronavirus: Ursache von schweren Entzündungen bei Kindern wird untersucht

Die Weltgesundheitsorganisation untersucht einen möglichen Zusammenhang zwischen dem neuartigen Coronavirus und einer seltenen entzündlichen Erkrankung bei Kindern. Es gebe erste Berichte darüber, dass jüngste Fälle der Kinderkrankheit mit SARS-CoV-2 in Verbindung stünden, sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus.Bislang seien 230 Kinder in Europa daran erkrankt und zwei gestorben, heißt es in einem Bericht der EU-Behörde für Krankheitsvorsorge (ECDC) in Stockholm.

Die ECDC hat die neue Krankheit als mögliche Komplikation von Covid-19 eingestuft, die europaweit überwacht werden soll. Es handle sich aber um eine seltene Erkrankung, „deren potenzielle Verbindung zu Covid-19 weder nachgewiesen, noch gut verstanden wird“. Das Erkrankungsrisiko in der EU und in Großbritannien sei sehr gering.

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Der WHO-Generaldirektor forderte Mediziner in aller Welt dazu auf, mit der WHO und den nationalen Gesundheitsbehörden zusammenzuarbeiten um das Syndrom „besser zu verstehen“. Erstmals hatten Ärzte in Großbritannien im April auf das multi-entzündliche Syndrom bei Kindern (MIS-C) hingewiesen, das Ähnlichkeiten mit dem seltenen Kawasaki-Syndrom aufweist. Inzwischen wurde es auch bei mehr als hundert Kindern in New York nachgewiesen, drei von ihnen starben.

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Am Freitag meldete ein Krankenhaus im französischen Marseille den ersten Todesfall durch das Syndrom in Frankreich. Ein Neunjähriger sei infolge „neurologischer Schäden im Zusammenhang mit einem Herzstillstand“ gestorben, sagte der zuständige Arzt Fabrice Michel. Insgesamt wurden aus Frankreich seit Anfang März 135 Fälle des Syndroms gemeldet. Die Patienten waren zwischen einem und 14 Jahre alt.

Das andere verstorbene Kind in Europa kam aus Großbritannien.

Zwei Fälle in Österreich

Je ein Fall einer solchen schweren Entzündung bei Kindern im Kontext mit Covid-19 trat auch in Österreich in Graz und in Wien auf, berichtete Volker Strenger von der Universitäts-Kinderklinik in Graz der APA. Beide Patienten sind bereits wieder aus den Krankenhäusern entlassen, der Bub in Graz war zuvor neun Tage auf der Intensivstation.

WHO-Chef Ghebreyesus betonte, es sei von höchster Wichtigkeit, das Syndrom genau zu beschreiben, die Auslöser der Krankheit zu ergründen und Behandlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Die US-Gesundheitsbehörde CDC forderte Krankenhäuser, in denen Minderjährige mit Symptomen von MIS-C behandelt werden auf, die Fälle zu melden. Die CDC-Experten ersuchte Ärzte, bei Todesfällen von Kindern, die nachweislich mit dem neuartigen Coronavirus infiziert waren, eine MIS-C-Erkrankung zu erwägen. Es sei bisher aber nicht gesichert, dass das Syndrom nur bei Kindern auftreten könne.

Zu den bekannten Symptomen von MIS-C zählen Fieber, Entzündungen an mehreren Organen sowie eine bestätigte Coronavirus-Infektion. Einige Ärzte verglichen das Krankheitsbild mit dem Kawasaki-Syndrom, das Entzündungen der Blutgefäße hervorruft und zu extrem schmerzhaften Schwellungen am ganzen Körper führt.

Der Kinderarzt Sunil Sood an der Cohen-Kinderklinik in New York sagte, rund die Hälfte der jungen Patienten mit MIS-C in seiner Klinik hätten wegen Herzmuskelentzündungen auf die Intensivstation verlegt werden müssen. Bei anderen Kindern habe die Krankheit dagegen einen milden Verlauf genommen. In den meisten Fällen sei das Syndrom vier bis sechs Wochen nach einer Coronavirus-Infektion aufgetreten. In der Regel hatten die Kinder demnach bereits Antikörper gegen den Erreger SARS-CoV-2 entwickelt. Sood sprach von einer „verspäteten und übersteigerten Immunabwehrreaktion“ des Körpers.

Bisher wurden Fälle des mysteriösen Syndroms nur aus Europa und Nordamerika gemeldet. In Asien wurden dagegen noch keine MIS-C-Fälle registriert. Einige Mediziner vertreten die These, dass manche Bevölkerungsgruppen genetisch anfälliger für das Syndrom seien als andere, sagte Sood. Wissenschaftlich belegt sei diese Theorie jedoch nicht.

Grazer Arzt: "Auftreten nicht mysteriös"

Bereits bei Erwachsenen gab zuvor auch in Österreich immer wieder Fälle, bei denen Patienten aufgrund einer überschießenden Immunreaktion auf Sars-CoV-2 intensivmedizinische Betreuung benötigten. Bei dem Kind in Graz lag laut Strenger zunächst eine milde Form der Covid-19-Erkrankung vor, so dass ein Spitalsaufenthalt anfangs gar nicht notwendig war, erst Tage später verschlimmerte sich der Zustand.

Geringe Wahrscheinlichkeit weiterer Fälle

„Diese Fälle sind an sich nicht mysteriös, und ihre Häufung in den USA und in London erklärt sich durch die hohe Zahl an Infizierten in der Gesamtpopulation“, somit erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit, dass auch Kinder von diesen an sich selten auftretenden Reaktionen betroffen sein können. Bereits in der frühen Phase der Pandemie, als die Mehrheit der Infizierten noch in China und infolge in Italien registriert wurden, gab es diese Immunantworten bei Erwachsenen. Weitere Fälle in Österreich haben durch die inzwischen geringe Rate an Neuinfektionen umgekehrt daher eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit.

Eine aktuelle Studie aus Bergamo zur der seltenen Entzündungskrankheit mit Symptomen wie entzündete Blutgefäße, Hautausschläge und Fieber, was dem sogenannten Kawasaki-Syndrom ähnelt, verwies ebenfalls auf die kleine Fallzahl. Die Experten betonten, dass in der Regel die Corona-Infektion bei Kindern eher mild verläuft, was auch Strenger noch einmal hervor hob. Im Verlauf einer Influenza-Saison müssen indes jedes Jahr einige Kinder mehr intensivmedizinisch behandelt werden, betonte Strenger unter Hinweis, dass die Gefährlichkeit des Coronavirus durch diese Tatsache keineswegs geringer wird.

Drosten: Kein Grund zu Alarmismus

Der Berliner Virologe Christian Drosten machte kürzlich im NDR-Podcast deutlich, dass er keinen Grund zu Alarmismus sieht. Es handle sich um ein seltenes Phänomen, über das die internationale Kinderheilkunde nun beginne zu diskutieren. Drosten verwies auch auf die gute Behandelbarkeit.

 

 

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