Wirtschaft

Variable Zinsen: Privatkredite doppelt so teuer wie vor einem Jahr

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat mit der Erhöhung des Leitzinses einen klaren Kurs eingeschlagen, um die hohe Inflation zu dämpfen. „Zinsen sind immer des einen Freud und des anderen Leid“, sagt OeNB-Direktor Johannes Turner. So winken den Sparern im Schnitt Zinsen von bis zu zwei Prozent auf zeitlich gebundene Einlagen, aber die Kredite werden deutlich teurer. Die Zinsen für neue Kredite erhöhten sich auf durchschnittlich 3,95 Prozent.

„Nach einer mehrjährigen Phase rückläufiger bzw. eines konstant niedrigen Zinsniveaus hat im Euro-Raum eine Trendumkehr bei Kredit- und Einlagezinssätzen stattgefunden“, sagt Gottfried Haber, Vize-Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). „Man kann von einer Zinswende sprechen, die dazu führen kann, dass es zu einer maßgeblichen Verteuerung von Krediten und zu einer Mehrbelastung von Kreditnehmern kommen kann.“

Bei den neu abgeschlossenen Wohnbaukrediten sind die Zinsen von 1,18 Prozent auf 3,33 Prozent im Jahresvergleich gestiegen. Das bedeutet für einen Kreditnehmer, der 250.000 Euro Kredit mit einer Laufzeit von 25 Jahren aufgenommen hat, dass sich die monatliche Kreditrate von rund 960 Euro auf 1.230 Euro erhöht.

War die Nachfrage nach Wohnbaukrediten im ersten Halbjahr 2022 noch hoch, führte das höhere Zinsniveau im zweiten Halbjahr zu einem rückläufigen Volumen von 41 Prozent bei neuen Krediten.

„Steigende Zinssätze dämpfen das Kreditwachstum“, sagt Haber. „Die Zinswende führt dazu, dass sich die Immobilienpreise tendenziell beruhigen und gleichzeitig das Kreditvergabevolumen zurückgeht.“ Aufgrund des hohen Anteils an variabel verzinsten Krediten wirkten sich die steigenden Kredit- und Referenzzinssätze in Österreich deutlich stärker auf die Verzinsung bestehender Wohnbaukredite aus als im Euroraum.

Alle Inhalte anzeigen

Mehr Sicherheit

„Österreich ist hier ein Ausreißer, das bedeutet, dass in Zeiten steigender Zinssätze die variabel verzinsten Kredite entsprechend teurer werden und der durchschnittliche Bestandszinssatz entsprechend ansteigt“, sagt der Vize-Gouverneur. Im Jänner 2023 wa-ren Kredite in Höhe von rund 60 Milliarden Euro in Österreich variabel verzinst, das entspricht 45 Prozent aller bestehender Wohnbaukredite.

„Fixe Finanzierungen schaffen mehr Sicherheit als variable verzinste Finanzierungen“, sagt Haber. „Variable Zinsen haben die Chance, dass sie wieder sinken können, bergen aber das Risiko, dass die Raten stark ansteigen können, wenn sich die Zinssätze verteuern.“ Insgesamt hat sich die monatliche Zinsbelastung für Haushalte innerhalb eines Jahres von 148 auf 284 Millionen Euro fast verdoppelt. Bei den Unternehmenskrediten hat sich die monatliche Zinslast von 227 Millionen Euro auf 528 Millionen Euro mehr als verdoppelt.

Das Ausfallsrisiko ist gering. „Die Qualität der Kredite ist sehr gut, wir haben einen historischen Tiefststand bei notleidenden Krediten“, sagt Haber.

Spareinlagen

Auch bei den Einlagen kommt es zum höchsten Zinsniveau seit zehn Jahren. „Wir sehen, dass die Zinsen auf der Einlagenseite ähnlich gestiegen sind wie auf der Kreditseite, auf rund zwei Prozent“, sagt Turner. Vor allem gebundene Einlagen mit Laufzeiten von einem bzw. zwei Jahren werden nachgefragt. „Die Kreditzinssätze steigen schneller als die Einlagenzinssätze. Die Kreditinstitute brauchen schlichtweg nicht so dringend Liquidität durch Spareinlagen“, sagt Haber. „Die Konsumenten werden darauf warten müssen, dass die Einlagenzinssätze im gleichen Ausmaß steigen.“