Wirtschaft

Klima-Disput: Aktionäre setzen Siemens-Chef Kaeser unter Druck

Knapp zwei Wochen vor der Jahreshauptversammlung der Siemens AG am 5. Februar in München äußern mehrere Kleinaktionäre Kritik am Vorstandsvorsitzenden Joe Kaeser und wollen ihm die Entlastung verweigern. Wie die Welt berichtet, liegen bereits zwei entsprechende Anträge vor, die öffentlich einsehbar sind. Grund dafür ist Kaesers Festhalten an einem umstrittenen Kohleprojekt in Australien, für das ihm heftige Kritik vonseiten der Klimaschutzbewegung entgegenschlug.

Konkret geht es um die Produktion und Lieferung einer Zugsignalanlage an den indischen Adani-Konzern, der damit ein Kohlekraftwerk errichten möchte.Vor allem die 23-jährige Luisa Neubauer, eine der Hauptorganisatorinnen der deutschen "Fridays for Future"-Bewegung, griff den 62-Jährigen öffentlich heftig an.

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Kaeser reagierte möglichst ungeschickt. Zunächst hielt er an dem 18-Millionen-Euro Projekt fest - zur Veranschaulichung: Siemens setzt jährlich mehr als 85 Milliarden Euro um. Zudem traf er sich mit der 23-jährigen Neubauer und bot ihr prompt einen Aufsichtsratsposten bei Siemens Energy an. Sie lehnte ab und machte das Angebot öffentlich.

In den beiden vorliegenden Gegenanträgen zweier Kleinaktionäre gegen Kaeser wird dessen Vorgehen als schädigend für das Image des Konzerns gesehen. Genauer heißt es im ersten Antrag, Kaeser habe "sowohl dem globalen Klima als auch der Reputation der Siemens-AG einen irreparablen Schaden zugefügt". Der Imageverlust sei für Siemens deutlich schlimmer als der finanzielle Schaden, den ein Rückzug vom Projekt verursacht hätte, heißt es weiter. Daran festzuhalten werde von der Öffentlichkeit "als ein unverzeihlicher Fehler bewertet werden".

Auch der zweite Kleinaktionär geht in seinem Gegenantrag hart mit Kaeser ins Gericht. Zudem heißt es dort ganz allgemein im Bezug auf den Klimaschutz: "Betriebswirtschaftliche und vertragliche Belange sind aufgrund der Dringlichkeit diesem existenziellen Ziel unterzuordnen". Kaeser selbst hatte nämlich mit der Pflicht der Erfüllung des mit Adani unterzeichneten Vertrages gepocht.

Kleinaktionäre sind für Siemens wichtig

Die Nichtentlastung eines Vorstandes durch die Aktionäre auf einer Hauptversammlung hat zwar keine unmittelbare aktienrechtliche Wirkung, die Anzahl der Nein-Stimmen ist aber ein wichtiger Gradmesser, wie die Aktionäre als Eigentümer einer Aktiengesellschaft hinter dem Kurs des Vorstandes stehen.

Außergewöhnlich ist, dass an der Siemens AG viele Tausend Kleinaktionäre beteiligt sind. Die Stimmung unter ihnen ist also wichtiger für den Konzern als bei anderen Aktiengesellschaften. Bei der Hauptversammlung 2019 kamen gut 5600 Teilhabende in die Münchner Olympiahalle. Der deutsche Technologiekonzern hat nur wenige bekannte Großinvestoren. Dazu gehören unter anderem der US-Vermögensverwalter Blackrock mit gut fünf Prozent sowie die Siemens-Familie mit etwa sechs Prozent. Rund drei Prozent hält der Staat Katar.