Schuldnerberater warnen: Teuerung treibt die Verschuldung an
Höhere Mieten, steigende Energiekosten und die starke Teuerung bei den Lebensmitteln – immer öfter können sich Menschen hierzulande das Leben nicht mehr leisten. Durch die Teuerung in den vergangenen Monaten sind mittlerweile auch Menschen betroffen, die bisher nicht als armutsgefährdet gegolten haben. „Wir sehen in den ersten Monaten 2023, dass die Erstkontakte stark steigen. Immer mehr Menschen sagen, das geht sich nicht mehr aus“, sagt Schuldnerberater Clemens Mitterlehner. „Durch die gestiegenen Kosten und erhöhten Kreditzinsen kann es mittlerweile finanziell auch für jene eng werden, die sich das Leben bisher gut leisten konnten. Es sind durchschnittliche Kosten von mehreren Hundert Euro dazugekommen.“ Nachsatz: „Schulden und Armut gehen Hand in Hand. Jede fünfte Person in Österreich ist von Armut betroffen.“ Dazu zählen vor allem 350.000 Kinder und Jugendliche.
Allein im Vorjahr haben fast 56.000 Personen einen der 67 Standorte der Schuldnerberatungen aufgesucht, die Erstkontakte sind um zehn Prozent gestiegen. Die durchschnittliche Verschuldung beträgt 61.340 Euro, die ehemaliger Selbstständiger liegt bei 111.184 Euro.
„Menschen, die zu uns kommen, sagen immer öfter, ich habe eigentlich keinen Fehler gemacht und trotzdem bin ich in der Überschuldung gelandet“, sagt Mitterlehner. „Die finanziellen Probleme sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“ Hauptgründe für die Überschuldung sind Arbeitslosigkeit bzw. Einkommensverschlechterung, gefolgt von nicht an die Einkommensverhältnisse angepasste Ausgaben und gescheiterte Selbstständigkeit.
„Ein Drittel unserer Klienten ist arbeitslos“, sagt Mitterlehner. „In der Schuldnerberatung sind fünf Mal mehr Arbeitslose als in der Gesamtbevölkerung.“ Das sei nicht verwunderlich. Denn die Nettoersatzrate bei Arbeitslosigkeit beträgt nur 55 Prozent des Gehalts. Damit können Menschen ohne finanzielle Reserven meist nicht ihr Auskommen finden.
„Wir glauben, dass es notwendig ist, die Nettoersatzrate auf 70 Prozent anzuheben, um existenzielle Probleme zu entschärfen“, sagt der Schuldnerberater. Auch sei das gesetzliche Existenzminimum mit 1.030 Euro deutlich zu gering; bis zu diesem Betrag können Einkommen gepfändet werden.
Nicht erfüllbar
Im Vorjahr ist die Zahl der Privatkonkurse (siehe Kasten) um 13,5 Prozent auf fast 8.200 Fälle gestiegen, rund 70 Prozent der Fälle werden von Schuldnerberatern betreut. „Wir haben es aber immer öfter mit existenziellen Problemen zu tun, wo es eine Lage gibt, die nicht geeignet ist, sofort eine Schuldenregulierung im Konkurs zu machen“, sagt Mitterlehner. „Dafür muss die existenzielle Situation stabil sein. Ich kann nicht eine Person, die kurz vor der Delogierung steht, in den Konkurs schicken. Da stehen dringendere Probleme im Vordergrund.“ Und er fügt hinzu: „Wir haben immer mehr Anfragen von Menschen, die bereits im Konkurs sind, die aber ihren Zahlungsplan nicht mehr erfüllen können, weil sich die wirtschaftlichen Verhältnisse geändert haben.“
Der Privatkonkurs
Im besten Fall werden Restschulden nach drei Jahren erlassen
In Österreich gibt es das Schuldenregulierungsverfahren, mit dem sich Private ihrer Schulden entledigen können. Wie der KURIER berichtete, haben der Schriftsteller Thomas Glavinic und der PR-Berater Stefan Petzner Privatkonkurse beantragt.
Es gibt drei Teilverfahren: den Zahlungsplan, den Abschöpfungsplan und den Tilgungsplan. „Mit 71 Prozent ist der Zahlungsplan das häufigste Verfahren“, sagt Gerhard Weinhofer von Creditreform. „Der Zahlungsplan ist eine Vereinbarung zwischen dem Schuldner und der Mehrheit der Gläubiger, über die Höhe der zu zahlenden Quote und mit einer Rückzahlungsdauer von maximal sieben Jahren.
Hat man die Quote abgestottert, erfolgt die Restschuldbefreiung.
Rund sechs Prozent der Verfahren sind Abschöpfungspläne, bei denen es die Restschuldbefreiung bereits nach fünf Jahren gibt.
Und 23 Prozent entfallen auf Tilgungspläne, bei denen es die Restschuldbefreiung schon nach drei Jahren gibt.
„Beim Abschöpfungs- und beim Tilgungsplan ist keine Mindestquote zu erfüllen, man wird aber bis auf das Existenzminimum gepfändet“, sagt Weinhofer. „In diesen Verfahren wird vom Gericht ein Treuhänder eingesetzt, der die Aufsicht über das Verfahren hat. Der Schuldner ist in diesen beiden Verfahren angehalten, Vollzeit erwerbstätig zu sein.“ Nachsatz: „Der Schuldner muss sich redlich um eine Vollzeit-Arbeitsstelle bemühen und muss das dem Gericht und dem Treuhänder auch nachweisen.“ Sonst erhält der Schuldner am Ende keine Restschuldbefreiung.“