Rewe-Chef zu Lebenmittelpreisen: "Wehre mich gegen diese Angstmacherei"
Von Simone Hoepke
Ein Mix aus steigenden Preisen für Agrarrohstoffe, Verpackungsmaterial und Transport wird die Lebensmittelpreise in die Höhe treiben, so das Ergebnis einer Studie, die das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) vorige Woche präsentiert hat. Für Marcel Haraszti, Vorstand der Rewe-International (Billa, Billa Plus, Adeg, Bipa), ist das nicht nachvollziehbar. „Ich sehe keine Welle von Preiserhöhungen kommen und wehre mich vehement gegen diese Angstmacherei“, sagt er am Dienstag am Rande eines Pressegesprächs.
In seinem Konzern seien die Preise zuletzt sogar gesunken. Hasraszti: „Wir liegen weit unter dem Niveau von April. Das wird die Wirtschaftsforscher vielleicht wundern, uns jedoch nicht.“ Schließlich habe der Konzern beschlossen, die Kurantpreise – also die regulären Regalpreise – für 2.500 Artikel nach unten zu schrauben. Im Gegenzug gibt es neuerdings weniger Aktionen. Die Leute würden verlässliche Preise und kein Lotto-Spiel an der Supermarkt-Kassa wollen, bei dem unklar ist, auf welches Produkt sie wirklich Prozente bekommen.
Apropos Preise.
Die Preisverhandlungen mit den großen Molkereien hat der Rewe-Konzern am vergangenen Freitag abgeschlossen. Das Ergebnis will Haraszti nicht kommentieren, auch nicht, ob die durchgesetzten Preiserhöhungen der Industrie auf die Regalpreise durchschlagen werden. Sprich, ob sie an die Konsumenten weitergegeben werden.
Dass Vertreter der Molkereien und der Landwirtschaft im Zuge der Preisverhandlungen gerne die Marktmacht der großen drei Handelsketten (Rewe, Spar und Hofer teilen sich rund 85 Prozent des Marktes untereinander auf) herauskehren, ist aus seiner Sicht unfair. „Sie versuchen immer einen Klassenkampf heraufzubeschwören, den es in Wirklichkeit gar nicht gibt.“ Populistische Ansagen von Molkerei- und Bauernvertretern seien an der Tagesordnung, „auch weil die Funktionäre um ihre Daseinsberechtigung kämpfen. Mit den Bauern selbst gibt es keine Probleme“, so der Standpunkt von Haraszti.
Probleme hat er dagegen bei der Einstellung neuer Mitarbeiter. Um die 3.500 offene Stellen gibt es im Konzern. „Wir haben nicht nur eine zu hohe Arbeitslosigkeit, sondern zu viele offene Stellen, also ein strukturelles Problem“, so der Chef von mehr als 32.000 Mitarbeitern bei Billa und Billa Plus in Österreich. „Die Politik muss Anreize schaffen, dass die Leute wieder arbeiten gehen.“ Als Positivbeispiel nennt Haraszti eine Initiative der Stadt Wien, die Über-50-Jährige mit Förderungen zurück in den Arbeitsmarkt holt. „Solche Initiativen muss man sich für ganz Österreich überlegen.“
Ebenfalls ganz oben auf der Agenda steht aus seiner Sicht eine Reform der Lehrausbildung. „Wir nehmen jedes Jahr 700 bis 1.000 Lehrlinge auf, würden aber doppelt so viele benötigen“, so der Supermarkt-Manager. Problem: Es gibt nicht genügend qualifizierte Interessenten für die Ausbildung.
Im Herbst starten die Kollektivvertragsverhandlungen für Handelsmitarbeiter. „Wir können keine massiven Gehaltssprünge machen“, bremst Haraszti schon jetzt die Erwartungen. Er verweist auf „die Deflation bei Lebensmittelpreisen und die steigenden Energiepreise“. Zudem war der Geschäftsverlauf in den einzelnen Handelssparten zuletzt sehr unterschiedlich. Die Umsätze der Lebensmittelhändler haben im ersten Halbjahr das Vorkrisenniveau um 13,4 Prozent übertroffen. Währenddessen liegen die Umsätze der Textilhändler noch 22 Prozent, jene der Schuhhändler 26 Prozent unter den Werten des Vergleichszeitraums 2019, geht aus den Zahlen der Statistik Austria hervor. Haraszti wird aber vor allem auch sein eigenes Budget im Blick haben. Eine Erhöhung der KV-Löhne um 0,1 Prozentpunkte schlägt sich laut Unternehmensangaben mit Mehrkosten von einer bis 1,5 Millionen Euro im Rewe-Konzern nieder.
Mehr einnehmen will Rewe künftig übrigens mit noch mehr Produkten aus der Region. Seit Jahresbeginn ist der Anteil an regionaler Ware im Sortiment um 20 Prozent auf mehr als 25.000 Produkte ausgebaut worden. Künftig wird zudem ausgeschildert, welche Produkte von lokalen Lieferanten kommen, also aus einem Umkreis von 30 Kilometern.