In der Datenflut nicht untergehen
Direkt nach dem Aufwachen zum Smartphone greifen, Nachrichten beantworten, eMails checken, vom Überangebot an Informationen genervt sein – der Informationsfluss stoppt nicht. Informationen werden nicht nur schneller, sondern ständig weitergeleitet. Durch Mobiltelefone, Fitnessbänder, smarte Uhren, Surfspuren im Internet, soziale Netzwerke oder Navigationsgeräte tragen wir selbst dazu bei, dass die kursierenden Datenmengen immer größer werden. Big Data wird zum Buzzword des 21. Jahrhunderts.
Während 1995 erst knapp zwei Prozent der österreichischen Bevölkerung das Internet nutzten, steigerte sich diese Zahl in den vergangenen 20 Jahren rasant. Im Jahr 2015 gaben laut einer Studie von Statistik Austria 84 Prozent der 16 bis 74-Jährigen an, das Internet in den letzten drei Monaten genutzt zu haben.
Häppchenweise serviert
Nicht nur die Nutzung, auch das Angebot an Informationen explodiert. Um diese Masse an Informationen überhaupt filtern zu können, vertrauen Nutzer zunehmend auf Algorithmen diverser Onlineangebote. Diese setzen uns Dinge vor, von denen sie glauben, dass wir sie sehen wollen. Während vor Jahren noch von einem Internet gesprochen wurde, dass die Welt demokratisieren könnte und ohne Gatekeeper auskommt, übernehmen diese Funktion heute zum großen Teil Konzerne wie Google, Facebook oder Twitter für uns.
Dennoch: Während private Nutzer unter dem Einprasseln der Informationsflut zunehmend leiden, bringt sie für Experten durchaus Vorteile. Im Jahr 2019 können laut dem Netzwerkspezialisten Cisco pro Jahr über das Internet zwei Zettabyte an Daten übertragen werden – das ist vier Mal so viel wie noch vor einem Jahr. Das Sammeln von Daten ist keine neue Entwicklung, doch der Mensch ist erst seit einigen Jahren fähig, die riesigen Datenmengen mit vertretbarem Aufwand zu durchsuchen.
Mit Datenanalysen lassen sich Wettervorhersagen optimieren, Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels erforschen, Börsenkurse berechnen, Genomdaten auswerten und sogar Grippewellen, die gerade erst entstehen, vorhersagen. Letzteres zeigten Datenspezialisten von Google im Rahmen des Projekts "Flu Trends", bei dem Suchanfragen nach typischen Grippe-Symptomen und anderen Auffälligkeiten ausgewertet wurden – Google war mit der Vorhersage den Gesundheitsbehörden weit voraus.
Während sich für die Wissenschaft viele Vorteile ergeben, sehen Datenschützer die immensen verfügbaren Datenmengen kritisch. Problematisch ist der mögliche Missbrauch von personenbezogenen Daten, aber auch das aktuell vorherrschende Unwissen in der Gesellschaft. Demnach werden vor allem klarere gesetzliche Regelungen in Bezug auf Datenspeicherung und den Datenschutz in den nächsten Jahren eine große Aufgabe sein.
- von Yasmin Vihaus
Gerit Götzenbrucker ist Expertin für Informations- und Kommunikationstechnologien. Im Interview spricht sie über Gefahren und Auswirkungen von Big Data und dem ständigen Datenfluss.
Wie wirkt sich diese Schnelligkeit, die durch den ständigen Datenfluss aufkommt, auf uns aus?
Gerit Götzenbrucker: Die sozialen Medien sind ein Taktgeber. Es gibt weniger freie Zeit, also Müßiggang und Zeit, in der man einfach für sich ist und nachdenken kann. Durch das Smartphone befindet man sich permanent im Fluss der Daten und Bilder. Es besteht natürlich eine gewisse Getriebenheit, auf der anderen Seite entsteht großer Stress – zum Teil ist die ständige Verfügbarkeit von Informationen natürlich positiv, mittlerweile werden aber auch negative Aspekte immer deutlicher.
Glauben Sie, dass diese Informationsblase irgendwann platzt und Menschen schlichtweg verweigern, alle Angebote zu nutzen?
Momentan ist gerade der Kommunikationsfluss sehr ausgereizt. Es wird in Zukunft sicher noch mehr Apps geben, die für Ordnung sorgen, die Kommunikation regulieren oder ganz blocken.
Wie schwierig ist es, sich im Datendschungel zurechtzufinden?
Aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht kommt hier die Selective-Exposure-These zu tragen. Man wendet sich nur Dingen zu, die dem eigenen Interesse entsprechen, alles andere wird weniger stark wahrgenommen oder überhaupt ausgeblendet. Das hat sich durch die sozialen Medien noch verstärkt. Das soziale Netzwerk ist ein zusätzlicher Filter und führt zu einer Ausblendung bestimmter Inhalte.
Welche Rolle spielen hier Algorithmen?
Da sind wir schon im Bereich Big Data. Das ist eine ganz problematische Sache, weil alle Daten, die wir im Internet in irgendeiner Form abliefern, das Profil verstärken und damit auch die Genauigkeit des Zuspielens von den gewünschten Informationen. Diese Informationsblase ist natürlich etwas total Tückisches. Man hat den Eindruck, aus dem Vollen zu schöpfen und bemerkt dabei gar nicht, dass eine sehr begrenzte Sichtweise entsteht. Wie Wissen zukünftig organisiert werden kann, damit Neues überhaupt entdeckbar ist, wird eine spannende Frage.
Wie problematisch sehen Sie diese große Datensammlung, die gerade entsteht und auch viele Vorteile hat?
Es sollte nicht so weit kommen, dass wir uns alles aus der Hand nehmen lassen. Die Google-Vision wäre, dass sie uns alle Sprachen übersetzen und dass wir uns um gar nichts mehr kümmern müssen. Die Gefahr ist, dass dabei gewisse Sprachen ganz verschwinden oder gewisse Personengruppen keine Erwähnung mehr finden. Wir könnten viel an vor allem kulturellem Wissen verlieren, wenn nur das Populäre und das oft Gesuchte im Vordergrund steht.