Erholung der heimischen Wirtschaft könnte Jahre dauern
Die Erholung der Wirtschaft in Österreich könnte sich nach der Coronakrise doch länger hinziehen als zunächst gehofft. Ökonomen der Wirtschaftsuniversität Wien, des IHS, des Wifo und des International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) rechnen laut einer gemeinsamen Untersuchung mit bis zu drei Jahren. Das BIP könnte heuer um bis zu 6,0 Prozent zurückgehen.
Ende März hatten das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und das Institut für höhere Studien (IHS) im besten Fall noch mit einem Minus beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 2 bis 2,5 Prozent und einer V-förmigen Rezession gerechnet. Dies hätte einen scharfen Einbruch der Konjunktur gefolgt von einer kräftigen Erholung im zweiten Halbjahr 2020 und im Folgejahr bedeutet.
Die Simulationsmodelle der vorliegenden Studie bieten allerdings ein etwas trüberes Bild. Das Minus von 6,0 Prozent beim BIP ergebe sich unter der Annahme, dass die Reduktion der wirtschaftlichen Tätigkeiten bis Mitte Juni anhält, heißt es in einer Aussendung der WU. Sollte sie nur bis Mitte Mai dauern, ist mit einem BIP-Rückgang um 4,0 Prozent zu rechnen.
Für die zwei darauffolgenden Jahre erwarten die Ökonomen zwar eine klare Erholung und positive Wachstumsraten, auf Vorkrisenniveau werde das BIP jedoch auch bis Ende 2022 nicht zurückkehren. Zum Verhängnis werde Österreich unter anderem die starke internationale Vernetzung in der Industrie.
"Kleinere Volkswirtschaften wie Österreich, die über hochentwickelte Produktions- und Dienstleistungssektoren mit einem komplexen Netzwerk internationaler und inländischer Wirtschaftsbeziehungen verfügen, müssen daher mit einem spürbaren Multiplikatoreffekt der COVID-19-Pandemie-Krisenmaßnahmen rechnen", so der WU-Ökonom Jesus Crespo Cuaresma laut Aussendung.
Darüber hinaus werde es Zeit brauchen, bis Investitionen wieder aufgenommen, Arbeitskräfte wieder eingestellt und die Nachfrage nach Konsum- und Vorleistungsgütern wieder angekurbelt werden. Trotz der Möglichkeit der Kurzarbeit erwarten die Volkswirte für 2020 einen Anstieg der Arbeitslosenquote auf über 10,5 Prozent - unter Annahme der derzeit geltenden Beschränkungen bis Mitte Mai. Sollten die Maßnahmen bis Mitte Juni in Kraft bleiben, steigt die Prognose sogar auf 12 Prozent und vor Ende 2022 wäre keine Rückkehr auf ein Vorkrisenniveau abzusehen.
Auch die Staatsschuldenquote werde sich wegen der von der Regierung beschlossenen Finanzhilfen bis Jahresende von 70,4 auf knapp 75 Prozent erhöhen und erst Ende 2022 wieder auf rund 70 Prozent zurückfallen, sollten die Beschränkungen für die Wirtschaft nur bis Mitte Mai gelten, so die Volkswirte.
Gaststätten
Die staatlichen Hilfsmaßnahmen seien dennoch unbedingt notwendig, insbesondere für die unmittelbar betroffenen Sektoren wie das Beherbergungs- und Gaststättengewerbe. Für dieses rechnen die Wissenschafter mit einem massiven Produktionsrückgang im Jahresverlauf, der für längere Zeit nicht aufgeholt werden dürfte.
"Für den Bereich Beherbergungs- und Gaststättengewerbe wird bis zum Ende des zweiten Quartals 2020 ein Rückgang um bis zu 33 Prozentpunkte unter der Annahme einer neunwöchigen Abschaltung und um mehr als 50 Prozentpunkte prognostiziert, wenn die Beschränkungen bis Mitte Juni beibehalten werden. Dieser Produktionsrückgang wird durch die anschließende Ausweitung innerhalb unseres Simulationszeitraums von 3 Jahren nur teilweise kompensiert, sodass die sektorale Produktion insbesondere für Bauwesen, Handel, Transport und Gastgewerbe unter dem Trend bleibt", so die Forscher.