Adani-Crash in Indien übersteigt 100 Milliarden Dollar
Der durch die Attacke des US-Leerverkäufers Hindenburg ausgelöste Aktien-Crash beim indischen Mischkonzern Adani hat die Marke von 100 Milliarden Dollar (91,79 Mrd. Euro) Wertverlust überschritten. Die Aktien der beteiligten Firmen rauschten am Donnerstag erneut in die Tiefe, nachdem der Multi-Milliardär Gautam Adani eine erfolgreich gezeichnete Aktienplatzierung von 2,5 Mrd. Dollar wieder zurückzog, um die Investoren nach seiner Aussage vor möglichen Verlusten zu schützen.
Anti-Adani-Slogans
Der massive Kursrutsch der Adani-Aktien ließ Marktteilnehmer Auswirkungen auf das indische Finanzsystem befürchten. Im indischen Parlament riefen Abgeordnete Anti-Adani-Slogans, die Sitzung wurde ausgesetzt.
Die indische Zentralbank forderte die lokalen Banken auf, Einzelheiten über ihr Engagement bei der Adani-Gruppe zu nennen, wie die Nachrichtenagentur Reuters aus Regierungs- und Bankenkreisen erfuhr. Die Investmentgruppe CLSA geht davon aus, dass indische Banken im Finanzjahr bis März 2022 etwa 40 Prozent der Schulden der Adani-Gruppe von umgerechnet rund 24,5 Mrd. Dollar in ihren Büchern hatten.
Eine Sparte der Citigroup habe am Donnerstag beschlossen, das Geschäft mit Krediten, die mit Adani-Wertpapieren abgesichert sind, zu stoppen, erfuhr Reuters von einem Insider. In der Hauptstadt Neu-Delhi reichten Abgeordnete der Opposition im indischen Parlament Anträge ein, in denen sie eine Diskussion über den Bericht des US-Leerverkäufers Hindenburg verlangten. Die Kongresspartei forderte eine Untersuchung der Angelegenheit durch einen parlamentarischen Ausschuss.
Vorwurf der Manipulation
Der US-Leerverkäufer Hindenburg Research hatte vergangene Woche mitgeteilt, auf fallende Kurse zu setzen und deshalb Short-Positionen an Adani-Firmen über in den USA gehandelte Anleihen zu halten. Zugleich veröffentlichte Hindenburg einen Bericht, in dem der Adani-Gruppe vorgeworfen wurde, Offshore-Steuerparadiese zu nutzen und Aktien zu manipulieren.
Der Bericht äußerte auch Bedenken über die hohe Verschuldung und die Bewertungen von sieben börsennotierten Adani-Unternehmen. Adani hat die Anschuldigungen zurückgewiesen und erklärt, der Vorwurf der Aktienmanipulation entbehre jeder Grundlage.
Zu Beginn dieser Woche hatte die Adani-Gruppe mitgeteilt, sie habe die volle Unterstützung der Investoren. Adani gelang es am Dienstag tatsächlich, die Zeichnung für die Zweitplatzierung von Aktien im Volumen von 2,5 Mrd. Dollar zu sichern, obwohl der Marktpreis unter dem Angebotspreis der Emission lag.
Adani hatte vor allem große Investoren ins Boot geholt, um sich gegen den Ausverkauf seiner Firmen-Gruppe zu stemmen. Börsianer sahen die erfolgreiche Zweitplatzierung als Hinweis, dass der Konzern die Unterstützung der institutionellen Anleger habe.
Vom Schulabbrecher zum Milliardär
Am Mittwochnachmittag nahm die Talfahrt der Adani-Aktien jedoch wieder Fahrt auf und setzte sich auch am Donnerstag fort. In einer Videoansprache teilte Adani am Donnerstagmorgen mit, "das Interesse meiner Investoren steht an erster Stelle und alles andere ist zweitrangig."
Um die Investoren vor möglichen Verlusten zu bewahren, sei deshalb die Aktienplatzierung zurückgezogen worden. Den Rückzug werteten Marktteilnehmer als dramatischen Rückschlag für Adani, der als Schulabbrecher zum ehemals reichsten Mann Asiens aufgestiegen war.
Die Aktien des Flaggschiff-Unternehmens des Konglomerats, Adani Enterprises, brachen nach der Absage um rund 30 Prozent ein. Auch die Titel der anderen Firmen der Gruppe, die Häfen über Bergbau bis hin zu Zement umfassen, büßten zwischen fünf und zehn Prozent ein.
"Die Verkäufe könnten sich im Laufe des Nachmittags verstärken, wie wir es schon einmal erlebt haben", sagte Avinash Gorakshakar, Experte bei Profitmart Securities in Mumbai. "Wenn Adani nicht in der Lage ist, das Vertrauen der institutionellen Anleger zurückzugewinnen, werden sich die Aktien im freien Fall befinden."