Skeletonstar Janine Flock: Kopf voraus ins Glück
Von Christoph Geiler
Wie kann man nur, werden sich einige vielleicht denken. Wie kann man sich denn nur Kopf voraus einen Eiskanal hinunterstürzen? Mit 120 km/h und mehr, nur wenige Zentimeter über dem Eis, ohne jegliche Knautschzone oder Sicherheitsausrüstung.
So spektakulär und riskant es auch aussehen mag, wenn Janine Flock auf ihrem Skeletonschlitten unterwegs ist, so ungefährlich ist das Ganze im Grunde. Von allen Disziplinen, die im Eiskanal betrieben werden (Bob, Rodeln), ist Skeleton noch mit Abstand die sicherste. „Ich kann mich nur an blaue Flecken erinnern“, sagt die Tirolerin.
Doppelsieg
Das liegt natürlich auch daran, dass kaum jemand so viel Fahrgefühl besitzt wie Janine Flock, die seit einem Jahrzehnt zu den Eiseiligen im Skeleton zählt. In diesem Winter fährt die 31-Jährige mit der Konkurrenz ordentlich Schlitten: Flock gewann die beiden ersten Weltcuprennen in Sigulda.
Dass sie in der anspruchsvollen lettischen Eisröhre gleich drei Mal den Bahnrekord verbesserte und die Gegnerinnen dabei um Welten distanzierte, beweist ihre aktuelle Vormachtstellung. „Ich bin happy mit mir selbst, dass ich es an beiden Renntagen mental so gut umgesetzt habe“, sagt sie. „Das macht mich schon auch ein bisschen stolz.“
Rücktrittsgedanken
Dabei ist es keineswegs so selbstverständlich, dass Janine Flock heute überhaupt noch am Start steht. Viel hat nicht gefehlt, und die Rumerin hätte 2018 ihre Karriere auf Eis gelegt.
Das Negativerlebnis bei den Winterspielen 2018 in Pyeongchang, als sie im vierten Lauf von Rang eins auf Rang vier durchgereicht wurde, hatte der sensiblen Flock extrem zugesetzt. Dazu kamen Streitigkeiten mit dem eigenen Verband. „Wenn ich zurückdenke, war ich damals wirklich schon knapp vor dem Umfallen“, gesteht Flock. „Ich habe diesen Klotz nach Olympia wirklich lange mit mir herumgetragen.“
Drohbrief
Es war dann am Ende mehr eine Bauch- als eine Kopfentscheidung, dass sie sich nicht aus der Bahn werfen ließ und sich doch wieder auf den Schlitten legte. „Wenn ich damals aufgehört hätte, wäre ich sicher unerfüllt gewesen“, sagt Flock heute.
So konnte, so wollte sie einfach nicht abtreten. Vor allem will sie nicht ohne eine Olympiamedaille ihre so erfolgreiche Laufbahn beenden. Gesamtweltcupsiegerin, Europameisterin, WM-Medaillengewinnerin – das ist die Tirolerin schon alles, nur über Olympia scheint für Janine Flock bislang ein Fluch zu hängen.
Bereits bei den Spielen in Sotschi (2014) hatte die Tirolerin zu den Medaillenhoffnungen gezählt. Wenige Tage vor ihrem Einsatz erhielt das ÖOC einen Brief, in dem gedroht wurde, dass Flock in Russland entführt werde. Nachvollziehbar, dass sie im Rennen nicht ihre Bestform abrufen konnte.
Nach ihren Enttäuschungen in Sotschi und Pyeongchang treibt Flock nun vor allem die Sehnsucht nach einer Olympiamedaille an. Geld kann für einen Skeletonpiloten keine Motivation sein: Für ihre zwei Siege in Sigulda erhielt sie keinen Cent. „Aber dafür mach’ ich den Sport nicht.“
Wie groß ihr Idealismus und ihre Leidenschaft sind, zeigt, dass sich Flock nach ihren Siegen ins Auto hockte und die 1.900 Kilometer von Lettland nach Tirol fuhr. „Vielleicht sollte ich ja den Schröcksnadel anrufen“, sagte Flock. „Vielleicht schickt er einen Privatjet.“