Sport/Fußball

Marc Janko: "Jetzt wünsche ich mir Italien als Europameister"

Bisher haben wir bei dieser EM zwei Wechsel der Mentalitäten beobachten können. Italien, seit jeher für Defensivfußball bekannt, spielt groß in der Offensive auf, England dagegen übt sich im eigentlich italienischen Catenaccio und ist auf einer taktisch sehr defensiven Schiene unterwegs. Der Erfolg gibt ihnen recht, auch die Begeisterung über den Sieg gegen Deutschland. Die Fans befanden sich im Stadion in Ekstase.

Mein Favorit Frankreich hat sich schon verabschiedet, meiner Meinung nach war dies ein Selbstfaller der Arroganz. Pogba begann nach dem 3:1 einen Tanz in der gegnerischen Hälfte, für mich nicht nachvollziehbar. Frankreich hat das Spiel nicht mehr ernst genommen, diese Lässigkeit darf einem Weltmeister nicht passieren. Dass die Schweiz das Spiel noch zu ihren Gunsten drehen konnte, hat mir wirklich getaugt.

Italien oder England

Vor dem Viertelfinale würde ich nun auf Italien oder England tippen. England genießt bisher den Heimvorteil, auch was die Zuschauerbeschränkungen betrifft. Gegen Deutschland waren mehr Fans als in der Vorrunde zugelassen, vielleicht eine kleine Verzerrung des Wettbewerbs. England setzt auf defensive Stabilität und Kontrolle, hat bisher noch kein Gegentor erhalten. Dazu kommen die körperliche Wucht und die Schnelligkeit nach vorne. Ich habe auch das Gefühl, dass ihnen das „Wie“ ihres Spiels nicht so wichtig ist, sie wollen endlich wieder einen Titel gewinnen.

Aus der Sicht des Fußballromantikers wünsche ich mir Italien als Europameister. Auch weil sie sich nach dem Sieg über Österreich extrem fair verhalten haben, wie einige Spieler und Franco Foda extra erwähnt haben. Die Italiener haben sich somit – so scheint es – auch auf einer anderen Ebene verändert.

Die „richtige Neun“

Diese EM zeigt für mich auch, dass echte Mittelstürmer im Fußball wieder gefragt sind, was mich als ehemaligen Angreifer natürlich sehr freut. Deutschland ist solch ein Stürmertyp jedenfalls schmerzlich abgegangen bei dieser EURO. Vielleicht sollte der Fokus in der Ausbildung künftig generell wieder vermehrt darauf gerichtet werden, gleichgültig, ob in den Akademien oder in den Vereinen. Fakt ist, dass solche Mittelstürmer einer Mannschaft natürlich ganz andere taktische Möglichkeiten anbieten.

Vor einigen Jahren noch war die „falsche Neun“, wie dieser Stürmertyp genannt wird, das moderne Allheilmittel. Jetzt wiederum ist es offenbar nicht so schlecht, wenn man eine „richtige Neun“ im Kader hat.

Marc Janko ist Fußball-Experte bei Sky – der 38-Jährige spielte 70-mal für das Nationalteam und erzielte 28 Tore.

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