Wifo-Chef Felbermayr: "Wir haben Wohlstand verloren"
Von Michael Hammerl
Gabriel Felbermayr, Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, war am Sonntag in der ORF-Pressestunde zu Gast. Dabei ging es unter anderem um die Lohnverhandlungen und das Wohlstandsniveau in Österreich.
Zu den komplexen KV-Verhandlungen der Metaller – bei Abgeltung der durchschnittlichen Inflationsrate würden sie 9,6 Prozent mehr erhalten – meint Felbermayr: "Ich glaube, das zentrale Problem ist einfach, dass es in der metallverarbeitenden Industrie eine Rezession gibt." Einerseits brauche es eine Inflationsabgeltung, andererseits komme in der Metallindustrie die langfristige Wettbewerbsfähigkeit bei zu starken Erhöhungen unter Druck. Nun sei Kreativität von beiden Seiten gefragt. Die nächste Verhandlungsrunde ist für Donnerstag geplant.
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Keine Kreativität hat die Politik bei den Beamtengehältern gezeigt. Sie steigen um 9,15 Prozent. Felbermayr spricht von einer vergebenen Chance, um von politischer Seite für die Metaller-Verhandlungen ein Signal zu setzen. Das Vertrauen in der Sozialpartnerschaft sei "ein Stück weit abhanden gekommen", bedauert der Wifo-Chef.
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Genügend Maßnahmen gesetzt?
Beim Kampf gegen die Inflation habe die türkis-grüne Regierung trotz der vergleichsweise hohen Inflation nicht alles falsch gemacht, sagt Felbermayr: "Es ist schon was passiert." Er verweist etwa auf die Strompreisbremse. In Österreich hätte es zwar keine Tankrabatts gegeben und die Mehrwertsteuer sei auch nicht gesenkt worden. Dafür habe man ein niedrigeres Budget-Defizit als viele andere EU-Staaten.
Aber konnte auch die Kaufkraft erhalten werden, wie die Regierung immer wieder betont? Seit der Corona-Krise "haben wir Wohlstand verloren", stellt Felbermayr fest. Damit dürfte er den Mittelstand meinen, denn niedrige Einkommen sind während der Krisenjahre real laut Budgetdienst gestiegen.
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Strompreisbremse? "Aus heutiger Sicht verlängern"
Eine zu hohe Inflation schade Österreichs Wettbewerbsfähigkeit, sagt Felbermayr: "Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Inflationsentwicklung im Inland und der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber unseren ausländischen Mitbewerbern."
Deshalb bedauert Felbermayr nach wie, dass im Frühjahr keine Mietpreisbremse beschlossen wurde. Ein abgeschwächtes Modell folgt kommendes Jahr. Felbermayr befürworetet das und spricht sich dafür aus, Gebühren und Abgaben im öffentlichen Sektor niedrig zu halten. Zudem müsse man sich überlegen, wie man mit auslaufenden Maßnahmen wie der Strompreisbremse umgehe. Aus heutiger Sicht sollte man die Strompreisbremse verlängern, meint Felbermayr.
Häuslbauer in der Krise
Bei der Vergabe von Immobilienkrediten kann sich Felbermayr eine Abschwächung der KIM-Verordnung vorstellen. Dafür tritt unter anderem auch Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ein. Zudem halte er eine striktere Regulierung von Fixzins-Verträgen für sinnvoll, aus der Häuslbauer in Österreich einfach aussteigen können. Das führe derzeit dazu, dass Banken eher ungern Fixzins-Kredite gewähren, so Felbermayr.
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Plädoyer für Pensionsreform
Österreichs Pensionssystem wird immer teurer. Das liegt vor allem daran, dass die sogenannte Babyboomer-Generation nun sukzessive den Ruhestand antritt. Aktuell muss der Bund bei 100 Milliarden Euro Einnahmen rund 25 Milliarden den gesetzlichen Pensionen, Beamtenpensionen und Ausgleichzulagenbeziehern zuschießen – also ein Viertel seiner gesamten Einnahmen. 2027 steigt dieser Wert voraussichtlich auf ein Drittel: 35 von 111 Milliarden Euro.
"Je mehr uns die Pensionsdynamik davon läuft, desto weniger Chancen haben wir, die Abgabenlast hinunter zu bringen", sagt Felbermayr. Man müsse sich ohne Tabus andere Modelle in Europa ansehen. Ein Teil der zunehmenden Lebenserwartung müsse in die Dauer des Erwerbslebens einfließen, sagt Felbermayr.
Für eine Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters, das bei Männern derzeit bei 65 Jahren liegt und bei Frauen bis 2033 auf ebenfalls 65 Jahre ansteigt, hat sich auch schon IHS-Chef Holger Bonin ausgesprochen. Die aktuelle Situation sei dramatisch, so Felbermayr: "Im Budget 2024 steigen die geplanten Zuzahlungen ins Pensionssystem um 20 Prozent."
Eine Absage an Überlegungen zur Erhöhung des Pensionsalters kam von SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer in einer Aussendung: "Das wird es mit der SPÖ nicht geben! Wir wollen stattdessen die Arbeitsbedingungen verbessern, damit alle das Pensionsalter gesund erreichen können." Die Neos unterstützen dagegen eine Pensionsautomatik und andere Reformen im Pensionssystem. "Dem System fehlt nämlich die Fähigkeit, die steigende Lebenserwartung abzubilden und damit auch zu finanzieren. Die vielen Milliarden, die der Staat jedes Jahr zu den Pensionen zuschießen muss, fehlen in wichtigen Zukunftsbereichen wie Bildung, Gesundheit, Pflege, Infrastruktur, Forschung, Umwelt", so Wirtschafts- und Sozialsprecher Gerald Loacker.