Wie es in der Causa Eurofighter zum "Justiz-Krieg" kam
„Noch nie“, sagt Ilse Vrabl-Sanda, Chefin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), Donnerstagabend im ORF, sei sie in so eine „Zwangslage“ versetzt worden, dass ein Vorgesetzter ihr „Vorgaben macht, die nicht dem Gesetz entsprechen“. Noch nie.
Der interne Justiz-Krieg in der Causa Eurofighter ist in der Tat einzigartig. Heimlich aufgenommene interne Dienstbesprechungen, gegenseitige Anzeigen (der KURIER berichtete) – „und dann setzt sich eine Behördenleiterin ins Fernsehen und patzt ihre Chefs derart an“, ärgert man sich in Justiz-Kreisen. Das habe man auch „noch nie“ erlebt.
Vrabl-Sanda sei „voll auf Konfrontationskurs“ und „schade damit dem Ansehen der Justiz“. Ein Ende des Streits sei nicht in Sicht. Dienstrechtliche Konsequenzen, etwa eine Suspendierung, seien nicht ausgeschlossen, heißt es.
Druck
Ausgangspunkt ist die viel zitierte Dienstbesprechung am 1. April, bei der Christian Pilnacek, der damals mächtigste Beamte im Justizressort, Druck gemacht haben soll, Teile des Eurofighter-Verfahrens einzustellen. Vrabl-Sanda und vier Kollegen der WKStA erstatteten Anzeige gegen Pilnacek und zwei Oberstaatsanwälte. Diese wurde aber kürzlich fallengelassen.
Jetzt hat die Oberstaatsanwaltschaft ihrerseits fünf WKStA-Leute angezeigt. Es steht der Verdacht im Raum, sie hätten besagte Sitzung im Protokoll falsch dargestellt (was eine Fälschung von Beweismitteln wäre) und an die Öffentlichkeit gespielt.
Wie konnte die Causa derart eskalieren? Hört man sich um, ist von „inhaltlichen Differenzen“ über „generelle Ressentiments“ bis hin zu „persönlichen Enttäuschungen“ die Rede.
Eine Geschichte geht etwa so, dass sich Vrabl-Sanda zwei Mal erfolglos als Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft beworben habe. Der Job ging 2018 an Johann Fuchs – ihn hat Vrabl-Sanda nach dieser Dienstbesprechung auch angezeigt.
Missgunst ist aber auch auf der Gegenseite ein Thema: Die Anti-Korruptionsbehörde genießt gewisse Privilegien. Seit ihrer Einrichtung 2009 wurde die Behörde kontinuierlich ausgebaut, die 40 spezialisierten Staatsanwälte können Fälle an sich ziehen, die von österreichweitem Interesse sind. Die Ermittler sind gehaltsmäßig höher eingestuft – das schafft Neid unter Kollegen.
Die Verfahren dauern lange – zu lange, wie viele sagen. Jede Zeile am Kontoauszug, jeder Schmierzettel, jeder Datensatz in den oft mehrere Terabyte fassenden elektronischen Akten wird penibel geprüft. In der Eurofighter-Causa etwa ging man zuletzt etwa Kaffeehaus-Rechnungen durch.
Was man aber dazusagen muss: Die Großverfahren im Wirtschafts- und Politikbereich sind generell komplex; dass sie oft mehrere Jahre in Anspruch nehmen, liegt in der Natur der Sache.
Skepsis
Der langjährige Sektionschef im Justizministerium Christian Pilnacek hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er von der WKStA als Behörde wenig hält. Zum ersten Mal so richtig gekracht habe es zwischen ihm und deren Leiterin Vrabl-Sanda in der Causa BVT (Bundesamt für Verfassungsschutz).
Pilnacek, der bis vor einer Woche Generalsekretär und damit höchster Beamter im Ministerium war, habe von der Razzia de facto aus der Zeitung erfahren. Das habe ihn „rasend gemacht“, erzählt man sich im Justizministerium.
Seither müssen die Korruptionsjäger ihre Hausdurchsuchungen drei Werktage vorher anmelden, die Berichtspflicht an die Fachaufsicht wurde verschärft.
Intervention
Das Problem dahinter: Justiz-Vertreter, die tagtäglich in politisch oder wirtschaftlich gewichtigen Causen ermitteln, zu kritisieren oder gar bändigen zu wollen, ist mehr als heikel.
Auch jetzt gibt es den Vorwurf der Intervention: Die SPÖ überlegt einen Untersuchungsausschuss, um die Rolle Pilnaceks im politischen Gefüge aufzuklären. FPÖ-Klubchef Herbert Kickl droht mit Klagen und fordert eine Taskforce zur Aufklärung.
Und die Neos schlagen die Einsetzung eines unabhängigen „Bundesstaatsanwalts“ vor, der nur dem Parlament Rechenschaft ablegen muss. So könne man dieses „Kasperltheater“ beenden, sagt Neos-Mandatar Michael Bernhard.
Als „befremdlich“ bezeichnet der neue Justizminister Clemens Jabloner den Streit zwischen seinen Behördenleitern. Er will sich persönlich in Gesprächen mit den Beteiligten einen Überblick verschaffen, Ende nächster Woche sollte man wissen, wie weiter vorgegangen wird.
Vrabl-Sanda gab am Freitag keine Interviews mehr, und Pilnacek erklärte sich bei der letzten Sitzung des Eurofighter-U-Ausschusses: Die WKStA habe „trotz dreifacher Kapazitäten“ der früheren Ermittlungsbehörde, der Staatsanwaltschaft Wien, „überhaupt keinen Plan“ gehabt, wie vorzugehen sei.
Pilnacek: „Da versteht man vielleicht die Emotionalität.“
Die Akteure im "Justiz-Krieg"
Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft
2009 gegründet, kümmert sich die Behörde unter der Leitung von Ilse Vrabl-Sanda (seit 2012) um große Wirtschafts- und Korruptionsfälle. Die Behörde genießt in der Justiz einen Sonderstatus, sie kann Fälle an sich ziehen – oder diese abgeben.
Staatsanwaltschaft Wien
Österreichs größte Staatsanwaltschaft ist in die aktuelle Thematik insofern involviert, als sie ursprünglich die Ermittlungen in der Eurofighter-Causa geführt hat – und diese nun an die WKStA abgegeben hat.
Justizministerium
Das Justizministerium ist oberste Aufsichtsbehörde der Staatsanwaltschaften. Christian Pilnacek ist Chef der Sektion 4 (Strafrecht) und war vorher als Generalsekretär im Ministerium zuständig.
Oberstaatsanwaltschaften
In Österreich gibt es vier Oberstaatsanwaltschaften, die die Dienstaufsicht über die Staatsanwaltschaften erledigen. Im aktuellen „Justiz-Krieg“ musste die OStA klären, ob eine Anzeige der WKStA gegen Pilnacek Substanz hat. Um eine mögliche Befangenheit auszuschließen, wurde die OStA Linz statt Wien beauftragt.