Politik/Inland

SPÖ erneut in Aufruhr: "Ungeheuerliche Verleumdungskampagne"

„Vertrauen ist die wichtigste Währung in der Politik. Und mit dieser Mitgliederbefragung ist das Vertrauen in unsere Bewegung und in meine Person wieder hergestellt und bekräftigt.“

Das sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner am Mittwoch bei der Präsentation  der Mitgliederbefragung nach dem Parteivorstand.
Es waren große, starke Worte. Und Rendi-Wagner  war die Erleichterung unzweifelhaft anzusehen –  mit Recht: Immerhin hatte die Befragung eine Rekord-Beteiligung (42,7 Prozent) und ein klares „Ja“ (71,4 Prozent) für sie an der Parteispitze ergeben.

Katerstimmung

Innerhalb von nur wenigen Stunden scheint die Wirkung des kommunizierten Fabel-Ergebnisses aber längst wieder verpufft zu sein. Denn bereits am Tag danach herrscht in Teilen der Partei nicht Aufbruch- sondern Katerstimmung. Und anstatt über anstehende Kampagnen  unterhält man sich über eine Frage, die in einer demokratisch organisierten  Partei an sich schon ein Skandal ist,  nämlich: Ist bei der Befragung überhaupt  alles mit rechten Dingen zugegangen?

Der KURIER hat mit führenden Funktionären in allen Landesparteien gesprochen. Und die Gespräche zeigen eines deutlich, nämlich:  Die Gesprächs- und Vertrauensbasis zwischen der Löwelstraße und einem nennenswerten Teil der Partei sind massiv gestört.

Der Ursprung des Unmuts liegt in dem Fall bei dem für die Befragung entscheidenden Gremium, der Wahlkommission der SPÖ. Sie tagte am Mittwoch – allerdings nur eine Stunde vor dem Parteivorstand. Kommissionsvorsitzender Harry Kopietz erklärte am Donnerstag  via ORF-Radio, die  Mitgliederbefragung sei „korrekt und professionell“ durchgeführt worden, es habe absolut „keine  Manipulationsmöglichkeit“ gegeben.

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Kritische Genossen zwischen Eisenstadt und  Bregenz irritiert aber ein Faktum: Die Kommission konnte die Grundlagen des Ergebnisses nicht prüfen. Stattdessen wurden den 14 Mitgliedern Zahlen präsentiert, die sie glauben konnten – oder auch nicht.

Fünf Mitglieder – darunter die steirische Abgeordnete  Michaela Grubesa –  äußerten Zweifel.  Nicht weil sie großflächige Manipulation befürchteten. Aber sie konnten und wollten die Korrektheit des Befragungsvorganges nicht bestätigen.

Der zeitliche Druck  in der Kommission war enorm – wie gesagt, eine Stunde später sollte bereits das Abstimmungsergebnis im Vorstand diskutiert werden;  und auch die Presse-Unterlagen mit den wichtigsten Zahlen waren vor Beginn der Sitzung  längst fertig.

Tatsache ist: Die Kommission entschloss sich zu einem eher ungewöhnlichen Schritt: Das Ergebnis der SPÖ-Mitgliederbefragung wurde nicht einstimmig bestätigt, sondern „zur Kenntnis genommen“ –  und das nur  mit  neun  zu  fünf Stimmen.

Wie dem KURIER von mehreren Sitzungsteilnehmern bestätigt wurde, meldete sich Mandatarin Grubesa auch in der SPÖ-Vorstandssitzung zu Wort, um zu  erklären, wo sie das Problem sieht. Die Konsequenz: Sie wurde  „betoniert“. Sinngemäß mit den Worten: Es sei an diesem Tag Einigkeit gefragt, nicht Kritik.

Revanchefoul

Weniger feine Genossen unterstellen ihr zudem, sie lasse sich als Vertraute des von Rendi-Wagner geschassten Bundesgeschäftsführers  Max Lercher für Revanchefouls einspannen – Lerchers Nachfolger Christian Deutsch organisierte  die Befragung.

Als wäre das nicht ungustiös genug, wollen Kritiker parteiintern nun weitere Details des Abstimmungsvorgangs hinterfragen.  So war für die Auszählung der Umfragebögen die Firma „Data Select“ verantwortlich. Sie wird von der Ehefrau von Alois Aschauer geführt, der wiederum ein Kompagnon von Bundesgeschäftsführer Deutsch ist – Aschauer war jahrelang Stellvertreter von Deutsch in Wien.

Allein dieses Naheverhältnis, meinen Kritiker, widerspreche der Darstellung, eine unabhängige Firma  habe die Befragung ausgewertet.

Aber ist es wirklich vorstellbar, dass  die Wiener Parteiführung Rendi-Wagner aus der Patsche geholfen und für ein gutes Ergebnis gesorgt hat, um  die Personaldebatte zu ersticken?

Verleumdungen

Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch ging am Donnerstag in die Offensive und sprach von einer „ungeheuerlichen Verleumdungskampagne“. Schon am Freitag sei die  Wahlkommission eingeladen, das Ergebnis zu überprüfen. Der  Präsident der Notariatskammer, Michael Umfahrer, werde  den Vorgang begleiten.

Das Ergebnis all dessen: Die SPÖ ist 24 Stunden nach  Beendigung der Obfraudebatte im nächsten Krisenbewältigungsmodus.

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