Kocher legt nach: Senkung der Lohnnebenkosten "realistisch"
Von Michael Hammerl
Die ÖVP wirbt weiterhin für ihren „Österreichplan“, den Kanzler Karl Nehammer vor zwei Wochen in Wels präsentierte. Nun ist nicht bei allen Punkten des 82 Seiten fassenden Programms klar, wie ernst sie gemeint sind.
Beispiel: Die Schaffung eines Kompetenzzentrums für eSport, um das Training und die Ausbildung von besonders guten Computerspielern voranzutreiben.
Jedenfalls wichtig dürfte der ÖVP die Senkung der Lohnnebenkosten sein. Wirtschaft- und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) betont am Freitag vor Journalisten erneut, dass er diese für einen zentralen Aspekt des „Österreichplans“ halte.
Welches Modell zur Senkung der Lohnnebenkosten schlägt die ÖVP vor?
Sie sollen bis 2030 jährlich um 0,5 Prozentpunkte sinken. Als Lohnnebenkosten gelten Abgaben, die der Arbeitgeber zusätzlich zum Bruttogehalt zahlen muss. Dazu zählen Versicherungsleistungen wie die Unfall-, Pensions- oder Krankenversicherung. Diese wolle man nicht angreifen, betont Kocher. Spielraum gebe es bei der Arbeitslosenversicherung und beim Familienlastenausgleichsfonds (FLAF). In den letzten zwei Jahren habe man die Lohnnebenkosten bereits um 0,5 Prozentpunkte gesenkt, sagt Kocher. Deshalb halte er den Senkungspfad der ÖVP auch für „durchaus realistisch“.
Wer soll das bezahlen?
Senkt man Lohnnebenkosten, gibt es zwei Optionen: Die Leistungen, die mit ihnen verbunden sind zu streichen, oder sie aus dem Budget zu bezahlen. Aus dem FLAF werden Familienleistungen finanziert. Diese müsste man dann aus dem Budget finanzieren, sagt der Minister. Spielraum sieht er bei der Arbeitslosenversicherung: Aufgrund der demografischen Entwicklung – mehr Pensionisten, weniger Arbeitende – werde die Zahl der Arbeitslosen laut Kocher zurückgehen. Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung seien in Österreich mit 5,9 Prozent bereits besonders hoch: „Deutschland hat 2,6 Prozent.“
Was soll die Senkung bringen?
Kocher meint, Arbeitnehmer würden dann höhere Nettogehälter erhalten. SPÖ und Gewerkschaften bezweifeln, dass die Arbeitgeber das Geld für die Leistungen – die dann wohl der Staat bezahlt – tatsächlich weitergeben.
Was würde das ÖVP-Modell kosten?
Die ÖVP rechnet mit jährlichen Kosten von rund 800 Millionen Euro. Bis 2030 würden also vier Milliarden Euro im Budget fehlen.
Gibt es politische Mehrheiten für eine Lohnnebenkostensenkung?
Bisher dagegen: die SPÖ. Die Grünen und die FPÖ halten eine Umschichtung beim FLAF oder der Kommunalsteuer für vorstellbar. Während die Grünen zur Gegenfinanzierung Vermögensteuern fordern, tritt die FPÖ für eine Senkung der Kammerumlage und eine Streichung der CO2-Steuer ein. Eine deutliche Senkung der Lohnnebenkosten um 6,55 Prozentpunkte fordern die Neos. Das dürfte sieben bis zehn Milliarden Euro kosten.
Wie beurteilt Kocher die Kanzlerpläne zu Steuersenkungen?
Die ÖVP will bis 2030 die Steuer- und Abgabenquote unter 40 Prozent des BIP senken. Ein Vorschlag, den sie seit mehreren Wahlkämpfen propagiert. Teil ihres neuen Plans: Eine Senkung des Eingangssteuersatzes von 20 auf 15 Prozent. Damit soll der Unterschied zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit größer werden. Es könnte aber auch ein Anreiz sein, dass noch mehr Menschen Teilzeit arbeiten. Kocher ist skeptisch: „Dieser Zielkonflikt ist da, er ist nicht gelöst.“
Wie will die ÖVP ihre Steuer- und Abgabensenkungen gegenfinanzieren?
Das Finanzministerium erwartet sich einen gewissen Selbstfinanzierungsgrad. Die Maßnahmen würden ja auch die Konjunktur ankurbeln. Fiskalratspräsident Christoph Badelt äußerte große Sorge und fragte mit Blick auf das Budget: „Wie soll das gehen?“ Der budgetäre Spielraum wird in den kommenden Jahren nicht größer. Die Schuldenquote bleibt bis 2027 bei über 76 Prozent.