Politik/Inland

Zweifel an ÖVP-Bilanz: Rechnungshof schickt erstmals Wirtschaftsprüfer

Die ÖVP hatte sich lange geziert, ihren Rechenschaftsbericht beim Rechnungshof  einzureichen. Von September 2020 bis April 2022 ließ man die Prüfer warten – umso bemerkenswerter ist das Ergebnis. Denn nach wie vor ortet der Rechnungshof im Rechenschaftsbericht 2019 „grobe Ungereimtheiten“.Die Türkisen hatten angegeben, die Wahlkampfkostengrenze von sieben Millionen Euro eingehalten zu haben. Der Rechnungshof bezweifelt das stark und vermutet, Wahlkampfkosten seien nicht ordentlich als solche verbucht, die Grenze also überschritten worden. Zudem soll es unzulässige, beziehungsweise verdeckte Parteispenden gegeben haben.   

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Heikle Vorwürfe, wegen derer die ÖVP nun beim Unabhängigen Parteientransparenzsenat (UPTS) angezeigt worden ist. Formal ist das ein möglicher Verstoß  gegen das Parteiengesetz.

Kostengrenze

Es ist nicht das erste Mal, dass die ÖVP wegen der Überschreitung der Wahlkampfkostengrenze Probleme bekommt: Für die Wahlkämpfe 2013 und 2017 waren rund 1,2 Millionen Euro Strafe zu zahlen.  Die aktuelle Causa bringt ein Novum: Erstmals wird  vom Rechnungshof ein externer Wirtschaftsprüfer eingesetzt, der klären soll, ob die Partei falsche Angaben gemacht hat. Dieses Faktum ist RH-Präsidentin Margit Kraker zumindest so wichtig, dass sie darauf explizit hingewiesen hat.

In der Causa geht es schlussendlich darum, ob Steuergeld sparsam, wirtschaftlich und zweckmäßig eingesetzt wurde, oder nicht. Das muss der Rechnungshof prüfen. Zweifel bekam er unter anderem durch „authentische“ Unterlagen, die  die Prüfer von einem „unbekannten Dritten“ zugeschickt bekam. Laut Rechnungshof konnte die  ÖVP  die dadurch entstandenen  Bedenken nicht ausräumen.

Und obwohl man die Partei zu den erwähnten Dokumenten Dritter befragt habe, hätte die Volkspartei „konkrete Fragen  zu diesen Unterlagen teilweise nicht beantwortet“.  Wörtlich heißt es in dem Prüfbericht: „Es ist mit der politischen Lebenswirklichkeit für den Rechnungshof schwer in Einklang zu bringen, dass für die Nationalratswahl deutlich weniger Wahlkampfkosten ausgegeben worden sein sollen, 
als für die EU-Wahl.“ Laut ÖVP flossen in die EU-Wahl 6,9 Millionen Euro, in die Nationalratswahl in Relation „nur“ 5,6 Millionen Euro.  Die Volkspartei verteidigt sich so: „Die Nationalratswahl und die EU-Wahl sind nicht miteinander vergleichbar und haben beide verschiedene Kostenstrukturen.“ 

Eine klare Meinung haben die Prüfer auch zu den Einnahmen der parteinahen Vereine: Diese gehören zur Partei. Und das wiederum bedeutet, dass die Einnahmen in der  ÖVP-Bilanz aufscheinen müssten.  Weil das im Jahr 2019 nicht der Fall gewesen ist, hat der Rechnungshof den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat gebeten, auch diese Frage zu prüfen. 

Causa Wirtschaftsbund

Dem nicht genug, wurde beim Parteien-Senat auch die Inseraten-Vergabe von Vorarlbergs ÖVP an den Wirtschaftsbund angezeigt. Gut  1,3 Millionen Euro rechnen die Prüfer der Partei als  verdeckte Parteispende zu. Und dann ist im Prüfbericht noch die Causa der Ministerien- und Beinschab-Studien enthalten, mit der sich in diesen Tagen auch der ÖVP-Korruptions-Untersuchungs-Ausschuss beschäftigt: Meinungsumfragen des Finanzministeriums vor der EU-Wahl  2019 sollen zwar für die ÖVP gemacht, aber mit Steuergeld bezahlt worden sein – das sieht auch der  Rechnungshof so, der diese Zuwendung in der Bilanz der Partei vermisst und daher von einer verdeckten Spende ausgeht. 

 Ein besonders pikantes Detail der Vorwürfe: Im Rechenschaftszeitraum 2019 war der nunmehrige Bundeskanzler und Parteichef Karl Nehammer Generalsekretär der Türkisen –  und damit ihr Wahlkampfleiter. Die  ÖVP  gibt sich am Freitag unbesorgt. In einer ersten Stellungnahme heißt es: „Wir sehen der  Prüfung gelassen entgegen.“ Man  habe alle Kosten der Wahlkämpfe 2019 lückenlos und korrekt angegeben und habe nichts zu verbergen.

Neos: ÖVP habe "Korruptionsproblem"

 Der Parteienfinanzierungsexperte Hubert Sickinger erwartet daraus im Ö1-Mittagsjournal "teure" Sanktionen für die ÖVP. Die ÖVP musste bereits 1,2 Millionen Euro für die Wahlkämpfe 2013 und 2017 Strafe zahlen, weil sie die Wahlkampfkosten übertreten haben. 

Die Oppositionsparteien FPÖ, SPÖ und NEOS haben nach der Veröffentlichung des Rechenschaftsberichts der ÖVP durch den Rechnungshof mit Kritik und teils mit Häme reagiert. FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz zeigte sich „fassungslos“ und nannte die Zahlen der ÖVP ein „einziges Schummel- und Blendwerk“. Die NEOS sahen darin einmal mehr die Bestätigung für das „Korruptionsproblem“ der Türkisen. Und auch die Grünen als Koalitionspartner der ÖVP lassen kein gutes Haar an dem Bericht: Die Stellungnahme des Rechnungshofes sei „verheerend“ und stelle der ÖVP-Parteibuchhaltung „ein mieses Zeugnis aus“, meint die grüne Nationalratsabgeordnete Nina Tomaselli. Dem Rechnungshof zufolge dürfte auch das „Inseratengeschäft des Wirtschaftsbund-Tools“ für die ÖVP ein Nachspiel haben. Dieser „unehrliche und intransparente Umgang mit Steuergeldern“ werde die Bevölkerung zu Recht ärgern, zeigte sich Tomaselli überzeugt.

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