Politik/Inland

Impfstoff-Streit: ÖVP fordert Suspendierung von Beamten im grünen Ministerium

Die Debatte um die Impfstoff-Lieferungen an Österreich artet offenbar in einen Koalitionsstreit aus: Am Freitag hatte ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz das EU-Beschaffungsprogramm als "Basar" bezeichnet, auf dem manche Länder mehr bekommen würden als andere. Das grüne Gesundheitsministerium widersprach dieser Darstellung (siehe unten).

Am Samstag legt die ÖVP nach: Gesundheitssprecherin Gabriela Schwarz richtet Gesundheitsminister Rudolf Anschober, der derzeit im Krankenstand ist, via Aussendung aus, er solle seine verantwortlichen Beamten suspendieren. Namentlich sind das Generalsekretärin Ines Stilling und Sonderbeauftragter Clemens Martin Auer.

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„Gesundheitsminister Anschober bekräftigte in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder, dass alles unternommen werde, um möglichst viel Impfstoff nach Österreich zu bringen“, erklärt Schwarz und fordert eine Offenlegung aller Verträge über die vereinbarten Liefermengen.

Wurde Anschober getäuscht?

"Denn es braucht endlich Klarheit darüber, wie andere Länder mehr Impfstoff kaufen konnten, obwohl von den EU-Staats- und Regierungschefs vereinbart war, dass alle Länder pro Kopf gleich viel Impfstoff geliefert bekommen. Es ist kaum vorstellbar, dass Anschober darüber im Detail Bescheid wusste. Es gilt aufzuklären, ob er von den zuständigen Beamten des Gesundheitsministeriums getäuscht wurde.“

SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher hatte die Suspendierung bereits am Freitag gefordert - vorausgesetzt, die Vorwürfe von Kanzler Kurz seien wahr. Er glaube aber eher, so Kucher, dass Kurz "wieder einmal Märchen erzählt", um von diversen Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Leute abzulenken.

Die ÖVP greift nun (zumindest den ersten Teil von) Kuchers Position auf und fordert ebenfalls "die sofortige Suspendierung der verantwortlichen Beamten im Gesundheitsministerium" Stilling und Auer - das sei "unvermeidbar".

Auer wurde als Beamter vom Gesundheitsministerium in die EU-Steuerungsgruppe ("Steering Board") entsandt und ist dort stellvertretender Vorsitzender. Er gilt eigentlich als ÖVP-nahe: Auer war unter dem früheren Vizekanzler Erhard Busek und später unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel Leiter der Politischen Abteilung der ÖVP, später machte er als Beamter im Gesundheitsministerium Karriere.

Stilling hat ihre Beamtenkarriere unter SPÖ-Ministern gemacht. In der Übergangsregierung der damaligen Kanzlerin Brigitte Bierlein war sie vom Sommer 2019 bis Anfang 2020 Frauenministerin. Unter Türkis-Grün wurde sie dann Generalsekretärin im Gesundheitsministerium. Sie hat die Verträge bzw. Zeitpläne für die Lieferungen unterzeichnet.

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Aus Sicht der türkisen Gesundheitssprecherin Schwarz stelle sich die Frage, "wie man Verträge abschließen kann, die dazu führen, dass andere EU-Länder mehr Impfstoff bekommen und warum die Vereinbarung der EU-Staats- und Regierungschefs gebrochen wurde".

Brief an EU-Zuständige

Bundeskanzler Sebastian Kurz hat unterdessen am Samstag in einem gemeinsamen Brief mit vier Amtskollegen einen EU-Gipfel zum Thema Impfstoff-Verteilung gefordert.

Damit alle EU-Staaten ihre Impfziele für das zweite Quartal erreichen, solle EU-Ratspräsident Charles Michel "so bald wie möglich" einen Gipfel abhalten, heißt es in dem am Samstag veröffentlichen Schreiben der Premiers von Österreich, Tschechien, Slowenien, Bulgarien und Lettland an die EU-Spitze.

Bereits am Freitag haben die EU-Kommission, Malta (das angeblich überproportional viele Impfdosen erhalten habe) und Deutschland der Darstellung des österreichischen Kanzlers widersprochen.

"Es ist vereinbart, dass die Verteilung der Impfstoffkontingente zwischen den Mitgliedsstaaten grundsätzlich nach dem Bevölkerungsanteil erfolgt", sagte ein deutscher Regierungssprecher auf Anfrage von Reuters.

"Für den Fall, dass Mitgliedsstaaten die ihnen zustehenden Mengen nicht vollumfänglich abnehmen, wurde ein Verfahren etabliert, das anderen Mitgliedsstaaten den 'Aufkauf' dieser nicht abgenommenen Dosen ermöglicht", fügte er hinzu. Auch dabei würden die Bestellungen nach demselben Verfahren verteilt. "Wenn ein Mitgliedsstaat dabei keine Dosen bestellt, erhält er auch nichts." Von einem "Basar" oder Deals im Hintergrund könne also keine Rede sein, hieß es unisono.