Politik/Inland

Grüne Frontalkritik aus der zweiten Reihe: "Afghanistankurs ist eine Schande"

Während Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) lautstark eine Fortsetzung Abschiebungen nach Afghanistan forderte, blieb es in den grünen Reihen auffallend still. 

Kein Wort von Vizekanzler Werner Kogler zu den harschen Ansagen des Koalitionspartners. Kein Wort auch von Klubchefin Sigrid Maurer, als Nehammer "Alternativen zur Europäischen Menschenrechtskonvention" andachte, wenn Abschiebungen nicht möglich sind.

Nicht einmal die Forderung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Flüchtlinge aus Afghanistan aufzunehmen, wollte man kommentieren. 

Abschiebungen nach Afghanistan "kann und wird es nicht geben", lautete lediglich ein recht allgemein gehaltenes Pressestatement am Montag. Seitdem wieder: Funkstille.

Nachdem am Montag mit Birgit Hebein die ehemalige Grüne Vizebürgermeisterin Wiens aus der Partei ausgetreten ist, kritisierte am Dienstag bereits Oberösterreichs Grünen-Chef Stefan Kaineder den Afghanistan-Kurs der Regierung. Diese seien "eigentlich ein Schaden für die Republik Österreich", sagte er zu Puls24.

Mit Johannes Rauch brach nun der nächste aktive grüne Landespolitiker in das Schweigen auf Bundesebene. 

"Jenseitig, eine Schande"

"Ich habe ein gewisses Verständnis, weil ich schon 30 Jahre im Geschäft bin, dass man vor Parteitagen oder vor Landtagswahlen Geräusche macht", sagte der Landesrat, der in Vorarlberg ebenfalls mit der ÖVP regiert, im Ö1-Morgenjournal. „Aber die Art und Weise wie das jetzt passiert in Sachen Afghanistan, ist jenseitig, zurückzuweisen und eine Schande.“

Dass man von der Parteispitze in „Sachen Afghanistan“ bisher noch nicht so klare Worte gehört hat, kommentierte Rauch nicht. Aber: „Ich weiß, dass das von Seiten Werner Koglers auch so gesehen wird“, sagte Rauch, der zuletzt seinen Abgang aus der Politik nach 24 Jahren angekündigt hatte. „Und ich weiß, dass das auch intern sehr deutlich angesprochen wird.“

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"Solidarischer Akt"

Den Grünen gehe es jetzt darum, Menschen herauszuholen. „Das heißt, in einem gemeinsamen solidarischen Akt der europäischen Staaten die Verantwortung wahrzunehmen und dort besonders gefährdete Gruppen herauszuholen.“

Wobei die ÖVP ebengenau dieser Forderung, die auch die EU-Kommission bereits formulierte, bereits eine Absage erteilt hat. „Man sollte sich in Europa in dieser Frage nicht weiter isolieren“, findet Rauch.

Ob er sich von Parteichef Kogler eine schärfere Gangart wünscht? Darauf wollte Rauch erst nicht eingehen. „Sie führen hier mit mir ein Interview – und ich wähle diese schärferen Worte – in dem Fall Richtung ÖVP.“

Einen „koalitionsfreien Raum“, wie das Andreas Hanger von der ÖVP in den vergangenen Tagen angedeutet hat, sieht Rauch jedenfalls nicht. „Den gibt es nur in seiner Fantasie.“