Politik/Inland

Gesundheitsminister Anschober: "Après Ski im Sitzen"

Der grüne Gesundheitsminister kritisiert wie die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer die Wortwahl von ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg. Dieser sprach in einem ZiB2-Interview angesichts der Flüchtlingskatastrophe in Moria und der etwaigen Aufnahme von minderjährigen Flüchtlingen von EU-Staaten von einem "Geschrei nach der Verteilung".

Österreich helfe, so Anschober, und führt in der ORF-Pressestunde die Versechsfachung der Hilfe vor Ort aus.  Der Auslandskatastrophenfonds wird von 25 auf 50 Millilonen Euro aufgestockt. Unabhängig davon plädiert Anschober: "Wir müssen Teil der europäischen Solidarität werden" und repliziert damit auf die Appelle von EU-Nachbarstaaten. EU-Mitglieder wie Deutschland zeigten sich jüngst verwundert, dass Österreich dezidiert nicht bereit ist, Kinder aus Moria aufzunehmen.

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Darauf angesprochen, ob die diametralen Haltungen der Koalitionspartner ÖVP und Grüne mehr einer Krise oder einem Theaterdonner gleichen, sagt Anschober: "Ich sehe keine Koalitionskrise."

"100-prozentig keine Erpressung"

Ob morgen, Montag, die Grünen den koalitionsfreien Raum nutzen werden, indem sie die angekündigten Anträge der Opposition unterstützen und damit vom Migrationskurs der Regierung abweichen werden, sagt der Gesundheitsminister: "Das ist die Entscheidung des Parlamentsklubs." Der Aussage des Salzburger Landeshauptmanns Wilfried Haslauer, der den Aufruf nach der Aufnahme von Schutzbedürftigen als "Erpressung" interpretierte, kann Anschober nichts abgewinnen. "Erpressung ist das mit 100-prozentiger Sicherheit nicht:"

Angesprochen auf die steigende Zahl der Infektionen erklärt Rudolf Anschober, man habe das Geschehen durchaus unter Kontrolle, zumal "wir es mit keiner exponentiellen Steigerung zu tun haben". Dass Österreich zu schnell die Maßnahmen lockerte in Relation zu anderen Nachbarländern, will er nicht bestätigen. Nach einem "harten Frühling" und einem "lockeren Sommer" gelte es nun die Regeln einzuhalten, um gut durch den Herbst zu kommen.

Zu dem angekündigten Treffen der Sozialpartner mit der Bundesregierung im Bundeskanzleramt am Sonntag in Wien betont der Gesundheitsminister, dass der Dialog mit allen Stakeholdern, Landeshauptleuten und den Religionsgemeinschaften verstärkt werde. Es gehe um eine Einschätzung der Lage und welche Auswirkungen es hätte, wenn Österreich durch einen exponentiellen Anstieg der Coronavirus-Infektionen „in eine echte zweite Welle kippt“. Noch sei dies aber nicht der Fall. Bundeskanzler Sebastian Kurz sieht die Datenlage anders. "Was wir gerade erleben, ist der Beginn der zweiten Welle.“

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Die teils harsche Kritik an der Corona-Ampel und die Verwirrung rund um die daraus abgeleiteten Maßnahmen versucht der Minister insofern abzuschwächen: "Die Corona-Ampel ist in der Praxis tauglich. Ich glaube, dass sich das schnell einspielen wird und eine gute Risikoanalyse darstellt." Die Ampel behandle eine "völlig neue Risikokultur". Grund: Es würden nicht nur Infektionszahlen, sondern eine Reihe anderer Parameter wie absolvierte Tests und wie gut die Clusteranalyse gelingt, berücksichtigt. Damit werde die Situation gesamthaft bewertet. Die Leitlinien zu den Ampelphasen bildeten nur eine Arbeitsgrundlage, zu der die Corona-Kommission weitere bundesweite Vorschläge machen könne, so Anschober.

Corona-Ampel tagt früher, fokussiert sich auf Raumordnung

Die Corona-Kommission wird sich morgen, Montag, ob der steigenden Zahlen auch mit der "Raumordnung" auseinandersetzen. Der Übergang von Regionen wie Wien - Niederösterreich müsse präziser werden. Es gehe um die Einordnung "ähnlicher Siedlungsräume" und einer "ähnlichen Bevölkerungsdichte". Die Arbeitsdichte in der Corona-Kommission sei erhöht worden – ob der steigenden Zahlen – deshalb tagt die Kommission bereits am Montag und nicht wie avisiert jeweils am Donnerstag. Vorschläge und Empfehlungen könnten deshalb bereits auch morgen publik werden.

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Die Corona-Gesetze werden erst Mitte September beschlossen – die Corona-Ampel gilt allerdings schon.

Der Frage, ob der Grüne in der Opposition anders reagiert hätte als in Regierungsfunktion, weicht Anschober aus. Er habe die Kritik verstanden, der Hauptausschuss des Parlaments werde künftig einbezogen. Bei der schieren Flut an Verordnungen - gestern sei die 95. Verordnung gemacht worden - habe es Fehler gegeben. "Ja, es ist etwas passiert. Und wenn bei einer (Verordnung) etwas passiert ist, dann muss man sich hinstellen und das sagen."

Der Gesundheitsminister will sein Verhalten auf Nachfrage von Presse-Chefredakteur Rainer Nowak. (Ist das Entschuldigen eine Art Van der Bellen-Taktik?) nicht als "Taktik" gewertet wissen. Er sei so. Vehement werde an einem möglichen Wintertourismus gearbeitet. Bereits kommende werde es Treffen mit der Tourismus- und Seilbahnwirtschaft und Gastronomie geben.

Après Ski werde es nur "unter klaren Rahmenbedingungen, wenn nur im Sitzen und nicht an der Bar geben." In Gondeln und Seilbahnen werde es Mund-Nasen-Schutz-Verordnungen und Abstandsregeln geben. Die Frage sei: Gibt es eine Balance, was viele Menschen in dem Land gerne tun und der Gesundheit? Die Maßnahmen werden davon abhängen, ob es  sich um eine offene oder geschlossene Gondel handelt.

Hält Prognose für Impfstoff 2021?

Rudolf Anschober ließ jüngst wissen, dass er bereits Anfang 2021 mit einem Impfstoff rechnet - au contraire zu anderen Ländern wie Experten. Anschober hält an seiner Prognose fest, dass die Chance auf einen Impfstoff Anfang 2021 besteht.

Warum kauft die Regierung Schutzbekleidung in China, nachdem sie zuvor die österreichischen Unternehmen aufforderte, Schutzbekleidung zu produzieren - um nun darauf sitzenzubleiben, will ORF-Redakteurin Claudia Dannhauser gen Ende der Pressestunde wissen. Das sei nicht der Fall, so Anschober. Man sei dankbar für das Engagement der heimischen Betriebe und auch auf die Produkte angewiesen.

Ob die Österreichische Gesundheitskassa eine Finanzspritze brauchen wird ob der durch Corona bedingten gesunkenen Einnahmen "hängt von den Wirtschaftsprognosen ab", so der Minister. Man werde die nächste Prognose des Wifo im Oktober abwarten und "auf dieser Basis folgt der Bedarf. Wir werden dafür sorgen, dass die GK nicht allein gelassen wird."

"Kein Pferderennen und kein Schönheitswettbewerb"

Rudolf Anschober gilt seit Wochen in diversen Umfragen als beliebtester Grün-Politiker. Dass das zu einem Zwist zwischen ihm und Vizekanzler Werner Kogler führen könnte oder gar führt, negiert Anschober. "Jeder Politiker wird sagen: Nein. Und ich sage es aus vollem Herzen: Wir sind ein Team, das sind Freundinnen und Freunde. Ich habe noch nie so viel Teamwork erlebt, Werner Kogler ist der Chef."

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Ein derartiges Team sei "kein Pferderennen und kein Schönheitswettbewerb". Warum er und nicht Werner Kogler mit Wiens-Grünen-Chefin Hebein auf Wahlkampf-Plakaten in Wien affichiert ist, das sei leicht erklärt: "Wir wollten ein Thema in den Fokus stellen: Gesundheit und Klimaschutz hängen zusammen."