Ende des Amtsgeheimnisses: Was die Opposition fordert
Die türkis-grüne Regierung will das Amtsgeheimnis abschaffen und damit ein uraltes Prinzip umdrehen: Derzeit ist bei Behörden, in Ministerien oder bei den Gebietskörperschaften nahezu alles geheim und nur Bestimmtes zu veröffentlichen. Mit dem neuen Gesetz zur Informationsfreiheit soll prinzipiell alles öffentlich und nur noch Sensibles geheim sein.
Das Amtsgeheimnis ist allerdings in der Verfassung verankert - und wenn es ÖVP und Grüne abschaffen wollen, braucht man die Opposition mit im Boot.
Unmut gab es allerdings schon im Vorfeld: ÖVP-Ministerin Karoline Edtstadler, zuständig für Europa und Verfassung, hat vergangene Woche zu einem runden Tisch geladen - ohne die Grünen. Dabei ist das Transparenzpaket ja ein Leuchtturmprojekt der Grünen.
Transparenz-Offensive ohne Grüne?
Tatsächlich ist nicht die grüne Justizministerin Alma Zadic, sondern die türkise Kanzleramtsministerin Edtstadler für das Informationsfreiheitsgesetz zuständig, heißt es von beiden Seiten. Eben, weil es sich um Verfassungsmaterie handelt und der Verfassungsdienst bei Edtstadler im Bundeskanzleramt angesiedelt ist.
Die Tatsache aber, dass niemand von den Grünen und auch kein Vertreter der Oppositionsparteien am runden Tisch dabei war, erklärt man in Edtstadlers Büro so, dass bewusst nur Experten und keine Politiker eingeladen wurden.
Nach dem runden Tisch will Edtstadler als nächstes mit den Parteien in Kontakt treten. Der Gesetzesentwurf soll noch vor der Sommerpause des Parlaments in Begutachtung gehen und jedenfalls noch heuer im Nationalrat beschlossen werden.
Ihre Stimmen für die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit geben SPÖ, FPÖ und Neos aber nicht einfach so her - auch sie haben Vorstellungen, wie diese neue Freiheit gestaltet sein soll.
Hier die wichtigsten Punkte:
1. Die Auskunft soll kostenlos sein
In Zukunft soll jeder Bürger bei jeder öffentlichen Institution um Informationen ansuchen können - Studien, Daten, Zahlen und sonstiges. Diese Auskunft darf aber nichts kosten, fordern SPÖ und Neos. Im türkis-grünen Regierungsprogramm ist bereits vorgesehen, dass Auskünfte gebührenfrei sein werden.
2. Die Auskunft soll möglichst rasch kommen
Noch nicht klar ist aber, wie viel Zeit sich die Behörden für die Auskunft brauchen dürfen. SPÖ und Neos schlagen eine Frist von 14 Tagen vor.
3. Länder und Gemeinden sollen keinen Spielraum haben
Einige Gemeinden haben bereits Einwände wegen des hohen Verwaltungsaufwands. Das lässt bei der SPÖ die Alarmglocken schrillen - sie fordern Informationsfreiheit auf allen Ebenen des Staats.
Die Neos pochen auf eine einheitliche Bundesgesetzgebung, die den Ländern keinen Spielraum lässt. Sonst bestehe die Gefahr, dass die Länder eigene Regeln für die Geheimhaltung schaffen - und manche dann weniger Auskunft geben als andere. Was zum nächsten Punkt führt:
4. So wenig wie möglich soll geheim sein
Im türkis-grünen Regierungsprogramm sind Ausnahmen vom Recht auf Information genannt: Etwa, wenn es sich um personenbezogene Daten handelt, wenn die Geheimhaltung im Interesse der nationalen Sicherheit ist, bei Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen, die innerstaatlich oder EU-rechtlich geschützt sind oder bei laufenden Ermittlungen, Gerichts- und Disziplinarverfahren.
Diese Ausnahmen klingen extrem weit gefasst, sagt Neos-Verfassungssprecher Nikolaus Scherak, und fordert da noch Präzisierungen: "Die Geheimhaltungsmöglichkeiten müssen so eng wie möglich sein, das ist das Um und Auf."
5. Daten der Bevölkerung müssten geschützt sein
Bei der FPÖ begrüßt man den Vorstoß zwar, Verfassungssprecherin Susanne Fürst betont aber: "Eine Abschaffung des Amtsgeheimnisses darf aber nicht zu Eingriffen in das Grundrecht auf Datenschutz führen. Hier braucht es Schutzmechanismen und Sicherheit für die österreichische Bevölkerung."
6. Ein eigener Beauftragter soll in Streitfällen schlichten
Experten des "Forums Informationsfreiheit“ (FOI) haben bereits beim runden Tisch mit Edtstadler deponiert, dass es einen Beauftragten für Informationsfreiheit brauche.
Den wollen auch die Neos: Scherak geht davon aus, dass die Behörden die Ausnahmen anfangs extensiv nutzen - und nur wenig Informationen herausgeben. Die Fronten könnten sich dann schnell verhärten, Fälle beim Verwaltungsgerichtshof landen.
"Es braucht deshalb jemanden, der in beide Richtungen ein Gespür hat und zwischen Behörden und Bürger vermittelt", sagt Scherak. Derzeit gibt es die Datenschutzbehörde, sie ist auch im Regierungsprogramm als Vermittler genannt. Scherak plädiert aber für eine Stelle, die möglichst niederschwellig Unterstützung gibt.
7. Bei Informationsverweigerung soll es automatisch einen Bescheid geben
Gibt die Behörde die Information nicht heraus, sollte automatisch ein Bescheid erstellt werden, gegen den der Betroffene Beschwerde einlegen kann. Im Regierungprogramm ist zwar die Rede von einem "einklagbaren Recht auf Information", aber auch da könnten wieder bürokratische Hürden lauern.
Ein Betroffener weiß vielleicht nicht, dass er dieses Recht hat - ein Nein der Behörde kann schon abschreckend wirken. Bei einem automatischen Bescheid hätte der Betroffene schneller etwas in der Hand, gegen das er ein Rechtsmittel ergreifen kann, erklärt Scherak.
Opposition wartet auf Einladung
Noch liegt von Türkis-Grün nichts konkretes auf dem Tisch, heißt es von SPÖ und Neos. Sie selbst seien für die Verhandlungen mit Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler aber gut gerüstet. Sie werden ihre eigenen Anträge mitbringen, die zuvor im Nationalrat abgeblockt wurden.
Die SPÖ hat etwa schon 2016 die Abschaffung des Amtsgeheimnisses gefordert - was damals aber keine Zustimmung beim Koalitionspartner ÖVP fand. Ende April hat die SPÖ im Parlament wieder einen Antrag eingebracht, dieser wurde aber vertagt, sagt Mandatarin Ruth Manninger. "Unsere Position ist sehr klar, wir warten nur noch auf den Entwurf der Bundesregierung."
Auch die Neos haben im Parlament bereits einen Antrag für Informationsfreiheit eingebracht und warten auf die Vorschläge von Türkis-Grün. "Wir brauchen gläserne Ministerien und echte Informationsfreiheit in diesem Land", sagt Neos-Mandatar Scherak.