Wie aus Entschuldigung nächster Sexismus-Fettnapf wurde
Von Christian Willim
Für Georg Dornauer hätte es der Befreiungsschlag nach der Aufregung um seinen „Horizontale“-Sager werden sollen: Montagabend tritt der 35-jährige sichtlich aufgeregt in der Tiroler SPÖ-Zentrale vor die Presse.
Er kündigt eine Initiative zur Bewusstseinsbildung zum Thema Sexismus innerhalb und außerhalb der Partei an – und lässt einen Satz fallen, der die nächste Empörungswelle auslöst.
„Sexismus entsteht immer beim Empfänger“, stellt Dornauer ausgerechnet dem Versuch einer öffentlichen Entschuldigung gegenüber „der damaligen Empfängerin Landesrätin Gabriele Fischer“ voraus.
Zur Erinnerung: Beim November-Landtag hatte Dornauer der krankheitsbedingt abwesenden, aber via Live-Stream die Debatte verfolgenden Grünen-Politikerin via Mikro zugerufen: „Ich will mir die Landesrätin nicht in der Horizontalen vorstellen.“
Zwei Stunden lang hatte der Landesparteivorstand am Montag vor der Pressekonferenz des Jung-Politikers diese Causa diskutiert. Am Ende – genau zwei Wochen nach seiner Kür im selben Gremium zum designierten Parteichef – bekam Dornauer mit 13 zu vier Stimmen erneut und klar das Vertrauen von seinen Genossen ausgesprochen. Nur die Frauen entzogen ihm dieses.
In der Opferrolle
Es war aus Dornauers Aussagen bei seinem jüngsten Auftritt heraus zu hören: Er fühlt sich missverstanden und von der ÖVP diffamiert. Tatsache ist, dass Dornauers „Horizontale“-Sager im Landtag nicht nur von Kopfschütteln, sondern auch von Gelächter begleitet wurde. Und dass sich der damals noch einfache Landtagsabgeordnete kurz darauf entschuldigt hat.
Erst eine Woche später, nach Dornauers Kür zum Parteichef und vor dem Bundesparteitag der SPÖ, stellte ein ÖVP-Mitarbeiter den Videomitschnitt ins Netz. Weder die Tiroler Volkspartei, noch die Grünen hatten sich zunächst öffentlich empört.
Das ist einer von mehreren Gründen, warum sich die Tiroler Genossen klar hinter den 35-Jährigen stellen: „Diese bewusste Störaktion der ÖVP hat viele erbost“, sagt ein Parteiinsider.
Abseits dieser Trotzhaltung ist Dornauer aber auch in breiten Teilen der Landespartei äußerst beliebt.
Zielstrebig hat sich der Bürgermeister aus dem Sellraintal in den vergangenen Jahren ein Netzwerk aufgebaut. Als SPÖ-Obmann im stimmenstärksten Bezirk Tirols (Innsbruck-Land) verfügt er über eine große Machtbasis. Zudem fehlt es in Tirol derzeit schlicht an Alternativen zu Dornauer, der schon seit mehreren Jahren als Kronprinz gilt. Mit seiner zurückgetretenen Vorgängerin Elisabeth Blanik hat die krisengebeutelte Landesorganisation eines ihrer letzten Asse bereits ausgespielt.
Mit seinen Statements am Montag hat Dornauer sich und seine Partei vom Regen in die Traufe bugsiert. Er sieht sich indes zu Unrecht ins Sexismus-Eck gedrängt, wie bei besagter Pressekonferenz klar wurde. „Ich bin unverdächtig, dass ich latent Sexismus an den Tag lege“, sagte er vor Journalisten.
Kritik aus der Partei
Statt die Wogen zu glätten, hat der mögliche künftige Landesparteichef mit seiner missglückten Entschuldigung nun erneut einen Sturm der Entrüstung ausgelöst – nicht nur bei der politischen Konkurrenz. „Für die SPÖ-Frauen gilt auch in dieser Frage: Diese Aussage ist inakzeptabel. Das habe ich Georg Dornauer auch persönlich so vermittelt“, sagt SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek zum KURIER.
Julia Herr, Chefin der Sozialistischen Jugend, sieht es ebenso: „Solche Aussagen und Sexismus haben in der SPÖ keinen Platz.“ Einen Rücktritt Dornauers würde sie durchaus begrüßen.
Die SPÖ-Landeshauptmänner sehen die Causa als „Angelegenheit der Tiroler Landesgruppe“ (Peter Kaiser, Kärnten) – oder waren für eine Stellungnahme vorerst nicht erreichbar (Hans Niessl, Burgenland; Michael Ludwig, Wien).