Politik/Inland

Die Entlastungen des Anti-Teuerungspakets im Detail

Von Experten gibt es weitgehend Lob für das neue Milliardenpaket der Regierung gegen die Teuerungen. Vor allem die Abschaffung der Kalten Progression sorgte für Zustimmung. Kritisiert wird, dass das Paket kurzfristig aus Einmalzahlungen besteht und weder Mehrwertsteuersenkung, noch die Aufwertung des Arbeitslosengeldes angefasst wurden.

Und, dass ein Teil der Entlastungen per Gießkannen-Prinzip alle treffe. Das heißt auch Gutverdiener und nicht nur Menschen mit geringem Einkommen, die von der Preisexplosion besonders gefährdet sind. Die Regierung verteidigt das Paket als großen Wurf. Immerhin würden bis 2026 rund 28 Milliarden Euro in die Abfederung der Inflationskosten investiert.

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Zudem würden der Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) und der Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) derzeit zum Arbeitslosengeld und der damit zusammenhängenden Sozialhilfe Neu verhandeln, wie Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in der ZiB2 am Dienstag sagte und im Ö1-Morgenjournal am Mittwoch wiederholte.

Beim Pressfoyer am Mittwoch im Anschluss an den Ministerrat, erklärten Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), Kocher, Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) weitere Details zum Entlastungspaket.

Als „historisch“ bezeichnet der Finanzminister die Abschaffung der Kalten Progression. „Wir geben die Kalte Progression zu 100 Prozent zurück – außer jenen, die mehr als eine Million Euro verdienen. Durch die dauerhafte Inflation ist diese Abschaffung gerecht“, sagt Brunner und spricht von einem „echten und nachhaltigem Systemwechsel“. Es sei ein Akt der Fairness, sagt Brunner. „Der Staat behält sich nichts ein, das Geld geht zu 100 Prozent zurück“. Bis 2026 sollen sich Bürger dadurch 15 bis 20 Milliarden Euro ersparen, erklärt der Finanzminister. „Einem Pensionisten mit 1.100 Euro bleiben dann 5.000 bis 7.000 Euro zusätzlich“, rechnet Brunner vor. In Kombination mit der ökosozialen Steuerreform „schaffen wir den Ausstieg aus der Teuerungsspirale“, schließt Brunner.

Gewessler betont die Wichtigkeit, sich von den Preisexplosionen zu entfernen. Denn Schuld an den Teuerungen seien die hohen Gas- und fossilen Energiepreise. „Der Preistreiber muss aus dem Spiel genommen werden, daher müssen wir raus aus fossilen Brennstoffen“, sagt Gewessler und betont dabei, dass im Zuge des Entlastungspakets auch das Erneuerbare Wärmegesetz in Begutachtung gebracht wurde. Sie verteidigt aber auch die Verschiebung der CO2-Bepreisung auf den Oktober, der gleichzeitig mit dem Klimabonus kommt.

Arbeitslose besonders betroffen

Zur strukturellen Veränderung durch das Paket betont Kocher die kommenden Entlastungen für Arbeitslosengeld- und Mindestsicherungsbezieher, Arbeitnehmer, sowie Unternehmen. Konkret werden die Lohnnebenkosten dauerhaft um 0,3 Prozentpunkte gesenkt. Der UV-Beitrag soll um 0,1 Prozentpunkte, der Beitrag zum Familienlastenausgleichsfond um 0,2 Prozentpunkte auf 3,7 % abgesenkt werden. Diese Maßnahmen bringen ein jährliches Entlastungsvolumen von 450 Millionen Euro ab 2023.

Zudem enthält das Entlastungspaket Maßnahmen für die Arbeitswelt im Ausmaß von einer Milliarde Euro. Darin enthalten sind etwa Prämien für die Jahre 2022 und 2023. Das ermöglicht es Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern bis zu 3.000 Euro steuer- und abgabenfrei direkt an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszuzahlen. 1.000 Euro davon sind an kollektive Regelungen gebunden, entweder im Kollektivvertrag oder für den ganzen Betrieb oder für gewisse Gruppen im Betrieb.

Auch neu: Unternehmen werden beim Strom- und Energiepreis unterstützt. So bekommen betroffene Unternehmen 75 Prozent ihrer Ausgaben im Emissionszertifikatshandel rückvergütet. Energieintensive KMU erhalten einen Direktzuschuss. Dafür ist ein Budget von 400 bis 500 Millionen Euro vorgesehen, erklärt der Arbeits- und Wirtschaftsministerkocher.

Zusätzlich wird der „Digi-Scheck“ bis 2023 verlängert, der „sehr gut angenommen wird“, sagt Kocher. Und: Bezieher von Arbeitslosengeld, Mindestsicherung oder Notstandshilfe erhalten eine Einmalzahlung von 300 Euro.

Familienleistungen werden angepasst

Als „Herzstück“ des Pakets bezeichnet Familienministerin Susanne Raab die Entlastungen für Familien, die von Teuerungen stark betroffen sind. „Konkret heißt das für Familien, dass der Familienbonus heuer in Höhe von 2.000 gewährt wird“, erklärt Raab. Dieser wird über Arbeitnehmerveranlagung oder Lohnverrechnung verrechnet. Jene, die unter 12.000 Einkommen im Jahr haben und daher keinen Familienbonus bekommen (das trifft meist Alleinerziehende), bekommen den Kindermehrbetrag. Auch dieser wird erhöht und vorgezogen: Statt 450 bekommen sie heuer 550 Euro.

Die Chronologie der Entlastungen verläuft, wie folgt: Im August bekommen Familien pro Kind 180 Euro Sonderfamilienbeihilfe.  Dazu bekommen im September alle Schulstarter 100 Euro Schulstartgeld. Im Oktober kommt dann der Anti-Teuerungsbonus dazu.  Erwachsene erhalten dadurch 500 Euro, pro Kind gibt’s 250 Euro. Ausgezahlt wird das über eine automatische Einzahlung aufs Konto. Wenn es keine Kontodaten gibt, werden Gutscheine verteilt.  

Automatische jährliche Anpassung

Als großer Wurf gilt die Indexierung. „Die langfristigen Maßnahmen werden durch Valorisierungen der Familienleistungen gemacht“, sagt Raab. Die Familienbeihilfe soll wert-gesichert werden. Sie wird künftig automatisch an die Inflation angepasst. Das ist ein Novum. Die Familienbeihilfe wurde zuletzt 2018 valorisiert. Die Valorisierung betrifft auch das Kinderbetreuungsgeld, Familienzeitbonus und die Kinderabsetzbeträge.

„Ein Paar mit drei Kindern bekommt so im August 540 Euro, einen Antiteuerungsbonus von 1750 Euro ab Oktober, die Entlastung durch die Familienbeihilfe bei der derzeitigen Inflation bringt rund 660 Euro pro Jahr. Und der Familienbonus in der höchsten Vergütung bringt 1.500 Euro mehr pro Jahr“, erklärt Raab.

Die Regierung beschließt im heutigen Ministerrat das gestern präsentierte Maßnahmenpaket gegen die Teuerung. Durch kurzfristig wirksame Maßnahmen werden die Bevölkerung und Unternehmen für 2022 mit über sechs Mrd. Euro entlastet. Das Gesamtvolumen des Paketes beträgt bis 2026 28 Mrd. Euro. Die APA bringt im Folgenden die einzelnen Maßnahmen inklusive deren Volumen.

Kurzfristig wirksame Maßnahmen:

- Teuerungsausgleich für vulnerable Gruppen

Bezieher von Sozialhilfe, Arbeitslosengeld, Ausgleichszulage, Studienbeihilfe, Übergangsgeld sowie Rehabilitations-, Kranken- und Wiedereingliederungsgeld bekommen - zusätzlich zu den bereits erfolgten Zahlungen in Höhe von jeweils 150 Euro - einen weiteren Teuerungsausgleich in Höhe von 300 Euro. Die Auszahlung soll ab September erfolgen. Darüber hinaus wird der Wohnschirm zur Unterstützung bei steigenden Wohnkosten und zur Verhinderung von Delogierungen um ein Volumen von 60 Mio. Euro aufgestockt. Gesamt entspricht dies einer Entlastung von 240 Mio. Euro.

- Teuerungsabsetzbetrag

Damit insbesondere Erwerbstätige und Pensionisten mit niedrigen Einkommen entlastet werden, wird für das Jahr 2022 ein einmaliger "Teuerungsabsetzbetrag" in Höhe von bis zu 500 Euro eingeführt werden. Die Begrenzung der Rückerstattung wird bei Arbeitnehmern einmalig von 55 auf 70 Prozent der SV-Beiträge und bei Pensionisten von 80 auf 100 Prozent der SV-Beiträge erhöht. Damit kann die volle Höhe des "Teuerungsabsetzbetrags" bei einem monatlichen Bruttoeinkommen (Arbeitnehmer) zwischen 1.100 Euro und 1.800 Euro in voller Höhe geltend gemacht werden. Bei Einkommen darüber und darunter erfolgt eine Einschleifregelung. Dies entspricht einer Entlastung von rund 1,5 Mrd. Euro.

- Verschiebung der CO2-Bepreisung

Die Einführung einer Bepreisung auf CO2 von wird von Juli auf Oktober verschoben.

- Klimabonus

Der Klimabonus wird für das Jahr 2022 einmalig auf 250 Euro erhöht werden. Zusätzlich werden die Bezieher des regionalen Klimabonus einen Anti-Teuerungsbonus in Höhe von 250 Euro erhalten. Damit bekommen alle Menschen, die in Österreich leben, insgesamt 500 Euro. Der Regionalausgleich entfällt in diesem Jahr aufgrund der pauschalen Erhöhung des Klimabonus. Der Anti-Teuerungsbonus ist bis zu einer Einkommensteuer-Stufe von 50 Prozent steuerfrei. Kinder bis zu ihrem 18. Lebensjahr erhalten 250 Euro. Dies entspricht einer Entlastung von 2,8 Mrd. Euro.

- Familienbeihilfe

Familien bekommen im August eine "Sonder-Familienbeihilfe" in Höhe von 180 Euro pro Kind. Darüber hinaus soll die Erhöhung des Familienbonus Plus von 1.500 auf 2.000 Euro pro Jahr von Juli auf Jänner vorgezogen werden. Außerdem soll der Kindermehrbetrag zusätzlich zur vorgesehenen Erhöhung auf 450 Euro schon für 2022 auf 550 Euro erhöht werden. Dies entspricht einer Entlastung von 630 Mio. Euro.

- Teuerungsprämien für Arbeitnehmer

Zahlt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer im Jahr 2022 oder im Jahr 2023 auf Grund der gestiegenen Preise zusätzlichen Arbeitslohn, soll diese Zahlung steuerlich begünstigt werden: Derartige zusätzliche Zahlungen sollen als "Teuerungsprämie" im Kalenderjahr 2022 bzw. 2023 bis zu einem Betrag von insgesamt 3.000 Euro steuerfrei und sozialversicherungsfrei sein, auch sollen keine weiteren Lohnnebenkosten anfallen. Davon sind 1.000 Euro an eine entsprechende kollektive Regelung (lohngestaltende Vorschrift) gebunden, 2.000 Euro können auch einzelnen Arbeitnehmer gewährt werden. Der Deckel von 3.000 Euro soll auch Zahlungen der Mitarbeitergewinnbeteiligung berücksichtigen. Dies entspricht einer Entlastung von 600 Mio. Euro.

- Strompreiskompensation

Die Strompreiskompensation für Unternehmen soll im Jahr 2022 einen Teil der indirekten CO2-Kosten, die durch die die Weitergabe der Kosten von Treibhausgasemissionen über die Strompreise tatsächlich entstehen, rückvergüten. Die Mittel zur Bedeckung der Förderungen ist mit 75 Prozent der Einnahmen aus den Versteigerungserlösen des Jahres 2021 begrenzt. Das entspricht rund 235 Millionen Euro.

- Direktzuschuss für besonders energieintensive Unternehmen

Unternehmen, die heuer besonders unten den hohen Energiekosten leiden, sollen für das Jahr 2022 mittels eines Zuschusses zu den Mehrkosten im Ausmaß von 400 bis 500 Mio Euro für Energie entlastet werden. Die genaue Ausgestaltung soll entlang der beihilferechtlichen Möglichkeiten im Befristeten Beihilferahmen der EU-Kommission erfolgen.

- Abschaffung der "kalten Progression"

Ab 2023 wird die kalte Progression vollständig abgeschafft. Ein entsprechendes Gesetz soll vorsehen, dass Grenzbeträge der Progressionsstufen - mit Ausnahme der 55-Prozent-Stufe - sowie negativsteuerfähige Absetzbeträge (Verkehrsabsetzbetrag, Zuschlag zum Verkehrsabsetzbetrag, Pensionistenabsetzbetrag, Unterhaltsabsetzbetrag, Alleinerzieher- und Alleinverdienerabsetzbetrag) automatisch um 2/3 der Inflation vom Zeitraum Juli bis Juni ab 01.01. des Folgejahres angehoben werden. Damit soll eine höhere soziale Treffsicherheit gewährleistet werden. Um auf sich verändernde gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen reagieren zu können, soll die Bundesregierung gesetzlich verpflichtet werden, jährlich im Ausmaß des restlichen Volumens von 1/3 der Wirkung der kalten Progression einen Gesetzesvorschlag an den Nationalrat vorzulegen, der Entlastungsmaßnahmen von Erwerbstätigen und/oder Pensionisten im Ausmaß dieses Volumens beinhaltet. Das Volumen soll jährlich durch einen Progressionsbericht wissenschaftlich festgestellt werden. Die Berechnungsmethodik wird durch Studien des Wifo und des IHS festgelegt. Die Methodik der Berechnung wird alle zwei Jahre evaluiert. Sowohl die automatische Entlastung durch die Anpassung der Tarifstufen als auch die diskretionäre Entlastung soll ab 01.01. jedes Jahres wirken. Dies entspricht einer Entlastung bis 2026 von über 16 Mrd. Euro.

- Valorisierung von Sozialleistungen

Analog zu den starken Effekten der "kalten Progression", sinkt auch bei nicht indexierten Sozialleistungen bei anhaltend hohen Inflationsraten die reale Kaufkraft. Vor diesem Hintergrund sollen ab 01.01.2023 das Reha-, Kranken- und Umschulungsgeld, die Studienbeihilfe, die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag sowie das Kinderbetreuungsgeld (inkl. Familienzeitbonus) valorisiert werden. Die Basis für die jährliche Valorisierung ist die Inflation im Zeitraum Juli bis Juni. Dies entspricht einer Entlastung bis 2026 von rund 4 Mrd. Euro.

- Senkung der Lohnnebenkosten

Die Lohnnebenkosten werden dauerhaft um 0,3 Prozentpunkte gesenkt. Der UV-Beitrag soll um 0,1 Prozentpunkte, der Beitrag zum FLAF um 0,2 Prozentpunkte auf 3,7 Prozent abgesenkt werden. Dies entspricht einer Entlastung von 1,8 Mrd. Euro bis 2026.