Bündnis mit der ÖVP für Grüne ein Wagnis – "aber wir wagen es"
Viereinhalb Stunden lang wurde Werner Kogler am Sonntag mit Fragen gelöchert, er hat mit seinen Grünen diskutiert und ihnen zugehört. Als der Parteichef um 17 Uhr vor die Medien trat, wirkte er – man muss es so sagen – extrem gut aufgelegt. Und ein wenig aufgeregt.
Alle 27 Mitglieder des erweiterten Bundesvorstands (EBV) haben dafür gestimmt, nach den Sondierungen, die am Freitag abgeschlossen wurden, mit der ÖVP in Koalitionsverhandlungen einzutreten. Und dabei hat Einstimmigkeit, wie der oö. Grünen-Chef Stefan Kaineder vorab gesagt hatte, „bei uns keine Tradition“.
Vorstandsmitglieder und andere Vertreter aus Partei und Klub kamen aus ganz Österreich zur Sitzung des zweitgrößten Parteigremiums in die Wiener Urania. Kritische Stimmen gab es da durchaus. „Ich habe auch einige kritische Stimmen in mir. Aber keine Sorge, ich bin gesund“, scherzte Kogler.
„Leisten Pionierarbeit“
Koalitionsverhandlungen seien ein Wagnis, aber diesen Schritt wolle man wagen, sagte Kogler. Man leiste „Pionierarbeit“. Alexander Van der Bellen hat 2003 schon recht konkret mit dem früheren ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel verhandelt, stand dann aber vom Tisch auf. Davor schrecke auch er, Kogler, nicht zurück, sollte es Versuche geben, „schwarz-blaue Politik mit grünem Mascherl zu machen“.
Kogler scheint es auch deshalb so wichtig zu sein, mit der ÖVP zu verhandeln, damit es niemand anderer tut. So erklärte er: „Es macht einen Unterschied, ob eine Mitte-Rechts-Partei (wie die ÖVP, Anm.) mit einer rechtsrechten Partei ( FPÖ) koaliert oder mit den Grünen.“
Zu den wichtigen Punkten einer allfälligen Regierung zählt für den grünen Bundessprecher die Verknüpfung von Ökologie und Ökonomie. Österreich soll, das wünscht er sich, zum Vorreiter im Klimaschutz werden. Zudem nannte Kogler Schritte gegen die Kinderarmut sowie ein Informationsfreiheitsgesetz.
„Wenn wir da etwas schaffen, würde das Bild Österreichs ein anderes sein als das Ibiza-Bild“, sagte Kogler mit Blick auf die europäische bzw. internationale Ebene.
Ja, die ÖVP sei eine „völlig andere Partei“ als die Grünen, und ja, es werde Kompromisse geben müssen, so Koglers Mantra. Und dann strahlte er noch einmal über das ganze Gesicht: „Aber war es nicht oft so, dass gerade die überraschenden Kompromisse Geschichte geschrieben haben?“
„Es wird hart“
Dass die Grünen „Ja“ sagen werden, war für Beobachter keine Überraschung. Die Alternative wäre der direkte Gang in die Opposition gewesen. Und die Grünen wollen sich ja nicht nachsagen lassen, zu schnell aufgegeben und einer Neuauflage von Türkis-Blau den Weg geebnet zu haben. Das Wahlergebnis von 13,9 Prozent sehen sie als Auftrag, sie spüren die Verantwortung.
Überraschend ist aber die 100-prozentige Zustimmung. Aus der ÖVP hatte es am Vorabend noch geheißen, man sei gespannt, ob Kogler seine Truppe wirklich hinter sich hat. Hat er offenbar. Kogler war offenbar selbst überrascht, und sagte später: „Schauen wir mal, wie lange der Kredit noch reicht.“ Einfach werde es in den kommenden Wochen und Monaten sicher nicht.
Sigrid Maurer, Vize-Klubchefin, war nicht stimmberechtigt, sagte aber: „Ich hätte zugestimmt.“ Mandatar Michel Reimon schätzt die Chance auf einen positiven Abschluss auf „mehr als 50 Prozent“. Und die Wiener Grünen-Chefin Birgit Hebein meinte: „Wir wissen, es wird hart.“
Die ÖVP wollte das Ergebnis am Sonntag nicht kommentieren. Ob man die Zuneigung der Grünen erwidert, gibt Parteichef Sebastian Kurz erst am Montagvormittag bekannt.
Wenn ja, werden die Grünen am Dienstag ihr Verhandlerteam präsentieren. Jene fünf Personen, die mit Kogler bis Freitag im Team sondierten, dürften gleich weiterarbeiten - zumindest Teile davon. Das sind der oö. Landesrat Rudi Anschober, Vize-Klubchefin Leonore Gewessler, Abgeordnete Alma Zadic, Wien-Chefin Birgit Hebein und Budgetexperte Josef Meichenitsch.
Wie lange es dauern wird? „So schnell wie möglich, aber so lange wie notwendig“, sagte Kogler.