Antisemitismus-Vorwurf: Kern und Strache in giftigem Streit
"Sie hetzen!" – "Sie sitzen jetzt in der Bonzenkutsche!"
Wer sagte was? Beim Ö1-Klartext Mittwochabend waren die Rollen in jeder Hinsicht vertauscht: Ersteres kam von Heinz-Christian Strache, vorher Oppositionsführer, jetzt Vizekanzler; zweiteres von Christian Kern, Kurzzeit-Kanzler, jetzt Oppositionsführer.
Zwischen den Flegeleien ging es um aktuelle Aufreger wie die Sozialversicherungs-Reform. Strache blieb bei seinen Vorwürfen und sprach von "Günstlingswirtschaft“. Dem SPÖ-Chef und Ex-Kanzler warf er eine "unsoziale Politik" vor. Mehr Maßnahmen für Arbeitslose, die Mindestpension – all das werde erst jetzt angepackt. "Wir sind die neue Arbeiterpartei", sagte der FPÖ-Chef.
Eine Provokation, die Kern nur ein schiefes Lächeln kostete. Auch bei anderen innenpolitischen Themen ging es zwischen den beiden Politikern unversöhnlich zur Sache. Mehrmals bezichtigten Strache und Kern einander der Verbreitung von Unwahrheiten, des Umfallens bei politischen Vorhaben oder stellten überhaupt die Bildung des jeweils anderen infrage.
Strache "Steigbügelhalter" für ÖVP-Sponsoren
Er verstehe die Frustration bei Kern, so Strache: "Der kürzeste Kanzler der Zweiten Republik." Nach den Landtagswahlen würden viele in der SPÖ einen Wechsel an der Parteispitze herbeisehnen. Motto laut Strache: "Lieber ein Kaiser als eine Prinzessin" - eine Anspielung auf den erfolgreichen Kärntner Landeshauptmann und ein im Nationalratswahlkampf an die Medien gespieltes SPÖ-Papier, indem Kern als "Prinzessin" tituliert wurde.
Dieser bot Strache darauf hin eine Wette an. "Ich wette eine gute Flasche Rotwein, dass ich länger SPÖ-Chef bin als Sie bei den Freiheitlichen." Strache nahm die Wette "gerne" an. Der FPÖ-Chef lobte das erste Budget der neuen Regierung, das gerade präsentierte Fremdenrechtspaket und diverse Entlastungen. Der SPÖ-Vorsitzende warf den Blauen unterdessen "Steigbügelhaltertum für die Großsponsoren der ÖVP" vor. Mindestpensionen, die Reform der Sozialversicherungen, Gesundheitspolitik, Arbeitszeitflexibilisierung oder die EU-Politik der Bundesregierung waren weitere heiß umfehdete Themen.
Heftiger Streit um blaue Soros-Thesen
Was den Neo-Oppositionsführer Kern in Rage brachte, war das Thema George Soros. FPÖ-Klubchef Johann Gudenus hatte ja von "stichhaltigen Gerüchten" gesprochen, dass der US-Investor die Migrationsströme nach Europa gesteuert habe. Für Strache sind das "Fakten", über die man diskutieren könne. Die Konfession Soros' - der Jude ist - spiele dabei keine Rolle.
"Soros wird von Neonazis zum Feindbild gemacht, und Sie dreschen jetzt auch drauf", zürnte Kern – und bekam Applaus. Strache wies den Antisemitismus-Vorwuf als "paranoide Weltverschwörertheorie" von sich. Verkehrte Welt.