Warum Putin so oft und gerne nach Österreich kommt
Von Irene Thierjung
Es war Weihnachten 1992, als ein russisches Ehepaar mit seinen zwei Töchtern in einer Frühstückspension im niederösterreichischen Göstling eincheckte, um einige Tage am Hochkar zu verbringen.
Dass dieser Skiurlaub die Gemeinderegierung derart entzückte, dass sie dem Familienvater dafür sogar einen Ehrenring überreichen wollte, lag an dessen Namen: Wladimir Wladimirowitsch Putin.
Dabei war der Besuch an der Ybbs Gerüchten zufolge nicht einmal der erste Österreich-Aufenthalt des damaligen Vizebürgermeisters von St. Petersburg – und nachweislich nicht der letzte.
Schon als Agent des sowjetischen Geheimdienstes KGB in der DDR soll der sportbegeisterte Putin in den 1980ern in den Alpen Skigefahren sein. Ob das stimmt, bleibt – wie so vieles in seinem Leben – im Dunkeln.
Politische Unterstützung
Allseits bekannt ist dagegen die große Sympathie, die Putin für Österreich hegt und die er bei bereits fünf offiziellen Besuchen seit dem Beginn seiner ersten Präsidentschaft im Jahr 2000 gezeigt hat – und wohl auch beim sechsten Besuch kommenden Dienstag zeigen wird.
Schwerpunkt der Visite ist der 50. Jahrestag des Beginns der Erdgaslieferungen aus der damaligen Sowjetunion nach Österreich (das genaue Programm finden Sie unten).
Putins Sympathie für Österreich ist begründet in den guten Wirtschaftsbeziehungen, aber auch in der Unterstützung, die Russland immer wieder erhält.
So sprachen sich österreichische Politiker wiederholt für ein Ende der Sanktionen aus, die die EU nach der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 verhängt hatte. Österreichs damaliger Bundespräsident Heinz Fischer war auch der erste Staatschef, den Putin nach der Annexion offiziell besuchte.
Auch in der Affäre um die Vergiftung des russisch-britischen Doppelagenten Sergej Skripal verhielt sich Österreich ruhig. Anders als viele Staaten verzichtete es auf die Ausweisung russischer Diplomaten.
„Austria und Australia“
Vor allem sind es aber persönliche Kontakte, deretwegen Putin an Österreich hängt und nichts über das Land kommen lässt.
„Es ist schwierig mit Leuten im Gespräch zu bleiben, die Austria mit Australia verwechseln“, ätzte er vergangenes Jahr über die US-amerikanische Diplomatie.
Zu Putins Freundschaften in Österreich zählt jene zu Michael Seper, der Putin zu Beginn der 1990er-Jahre als Vertreter einer österreichischen Firma in St. Petersburg kennengelernt hatte.
Seper war es, der 1992 den zunächst anonymen Besuch in Göstling einfädelte und Putin danach immer wieder in Moskau besuchte. Viel ist über diese Treffen nicht bekannt, Seper betrachtete die Beziehung zu Putin stets als Privatangelegenheit.
Auskunftsfreudiger ist da Karl Schranz. Österreichs Skilegende verbindet eine enge Freundschaft mit Putin, seit die beiden bei der Ski-WM in St. Anton 2001 mit dem damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel medienwirksam einen Hang hinunter wedelten.
Rückenübungen im Kreml
„Damals in St. Anton hat Putin viele Menschen kennengelernt, und einer ist übrig geblieben – das war ich“, sagte Schranz dem KURIER vor vier Jahren anlässlich der Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi, an deren Vorbereitung er als Berater beteiligt war.
Wie gut sich Schranz und Putin verstehen, konnte man dann auch in Sotschi beobachten. Bei seiner Ankunft vor dem Österreich-Haus kletterte der Kremlchef aus dem Auto, lief dem Konvoi und seinen Leibwächtern davon und Schranz in die Arme.
Der heutige Hotelier Schranz bezeichnet sich als „einen der ganz wenigen“, die Putin etwas sagen könnten. „Ich kann mit ihm über alles diskutieren – auch politisch.“ Das mache er auch, „aber natürlich mit dem nötigen Respekt“.
Bei den Besuchen in Moskau, die über einen Freund Putins organisiert würden, wird laut Schranz allerdings nicht nur geredet. „Putin klagt öfters über Kreuzschmerzen. In seinem Arbeitszimmer im Kreml sind wir zwei schon am Teppich gelegen und haben Rückenübungen gemacht.“
Vertrauensmann
Als „respektvoll“ bezeichnet auch Siegfried Wolf seine Beziehung zu Putin, den er seit rund 20 Jahren kennt, und den er immer wieder gegen Kritik verteidigt. Als Spitzenmanager des Magna-Konzerns von Frank Stronach war Wolf in den 1990er-Jahren immer wieder nach Russland gereist.
Die guten Kontakte nach Moskau machten sich bezahlt: Seit seinem Abgang bei Magna 2010 ist Wolf Aufsichtsratsvorsitzender von „Russian Machines“, eines Unternehmens des Kreml-nahen Oligarchen Oleg Deripaska. Wolf ist auch Aufsichtsratschef der Sberbank Europe, einer Tochter der größten russischen Bank.
Hunde als Freundschaftsbeweis
Die einzige Frau in der Runde der österreichischen Putin-Vertrauten ist Margot Klestil-Löffler. Die Diplomatin hatte Putin in ihrer Rolle als Österreichs „First Lady“ kennengelernt, als zweite Frau von Bundespräsident Thomas Klestil.
Als „Zeichen einer lebendigen Freundschaft“ beschenkte Putin das Ehepaar 2004 mit zwei Labradorwelpen, Olga und Orchi, Nachkommen seiner Hündin Konny. Als Thomas Klestil wenig später starb, erwies ihm Putin in Wien die letzte Ehre.
Zwischen 2009 und 2015 besuchte Klestil-Löffler als österreichische Botschafterin in Moskau immer wieder Putin und seine – mittlerweile geschiedene – Frau Ljudmilla.
Ein baldiges Wiedersehen ist gut möglich: Seit Jänner ist Klestil-Löffler Russland-Sonderbeauftragte des Außenministeriums.
Das Programm des russischen Präsidenten in Wien
Staatsspitze: Am frühen Dienstagnachmittag wird Russlands Präsident Wladimir Putin in der Hofburg von Bundespräsident Alexander Van der Bellen begrüßt. Geplant ist ein Empfang mit militärischen Ehren im Inneren Burghof.
Danach sind ein Vier-Augen-Gespräch sowie Gespräche der Delegationen vorgesehen. Im Anschluss findet ein gemeinsames Arbeitsmittagessen in den Räumlichkeiten der Hofburg statt.
Regierung: Im Anschluss an die Gespräche bei Alexander Van der Bellen wird Wladimir Putin auf der anderen Seite des Ballhausplatzes erwartet.
Vorgesehen sind Treffen mit Vertretern der österreichischen Bundesregierung, allen voran mit Bundeskanzler Sebastian Kurz. Erst im Februar war Kurz von Putin in Moskau als „Freund“ empfangen worden.
Wirtschaft: Nach den politischen Gesprächen am Ballhausplatz ist ein bilaterales Wirtschaftsforum unter Beteiligung einflussreicher russischer wie auch österreichischer Wirtschaftstreibender geplant. Organisator ist die Wirtschaftskammer.
Die Liste der voraussichtlichen Themen: Breitspur-Bahnausbau bis Wien, Maschinenbau, Energie. Es ist der erste große Auftritt des neuen Kammer-Chefs Harald Mahrer.
Kultur: Den Abschluss von Wladimir Putins Besuch in Wien bildet die Eröffnung der Ausstellung „Die Eremitage zu Gast. Meisterwerke von Botticelli bis van Dyck“ im Kunsthistorischen Museum gemeinsam mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen.
Im Rahmen der Schau sind bis September 14 Leihgaben der Eremitage in St. Petersburg zu sehen. Danach wird die gemeinsame Schau für mehrere Monate in St. Petersburg präsentiert.