Politik/Ausland

"Situation grässlich": Corona bereits häufigste Todesursache in den USA

In den USA ist Covid-19 aktuell bereits die häufigste Todesursache. Am Freitag wurden landesweit 3.744 Opfer der Pandemie registriert. Über acht Monate hinweg lag die Covid-19-Todesrate nach den Herz- und Krebserkrankungen in den Vereinigten Staaten an dritter Stelle der Todesursachen - nach Herzleiden und Krebs, berichtete jetzt das Journal der American Medical Association (JAMA). Die Lage gerät derzeit in Regionen wie Südkalifornien völlig außer Kontrolle.

Alle acht Minuten stirbt jemand

„Los Angeles - Die Situation ist grässlich. Alle zehn Minuten wird jemand positiv auf Covid-19 getestet. Alle acht Minuten stirbt jemand. Rettungswagen fahren stundenlang im Kreis und finden keine Notambulanz, die noch Patienten aufnimmt. Den Spitälern geht der Sauerstoff aus. Die freie Kapazität der Intensivstationen liegt bei Null. Patienten liegen in den Gängen und in Zelten“, schrieb am Samstag das US-Pharma- und Medizin-Nachrichtenportal STAT. Die Nationalgarde sei mobilisiert worden, nicht um Patienten zu helfen, sondern um die Leichen der Verstorbenen abzutransportieren.

LA anders als NY

Südkalifornien mit dem Ballungsraum von Los Angeles und rund zehn Millionen Einwohnern (LA County) hatte offenbar das erste Aufflammen der SARS-CoV-2-Pandemie im vergangenen Frühjahr gut überstanden. Doch die Situation ist jetzt anders. „In New York bekamen es die Leute sehr mit der Angst zu tun, und sie benahmen sich richtig. Wir kamen gut davon, die Menschen entspannten sich und hörten auf, sich an die (Hygiene-/Abstands-)Maßnahmen zu halten“, sagte Karin Michels, Leiterin der Abteilung für Epidemiologie an der University of California in Los Angeles (UCLA).

Ballungsräume und Armut

Die Ballungsräume und Armut sind laut US-Experten die treibenden Kräfte der Entwicklung. In und um Los Angeles mit dem größten Anteil an Menschen mit lateinamerikanischem Hintergrund hätte sich die Covid-19-Todesrate binnen weniger Monate auf das Achtfache erhöht.
Die Situation in Kalifornien repräsentiert im Grunde die landesweite Lage in den USA. „Die tägliche Zahl der Todesfälle durch Covid-19 ist ähnlich jener der Terrorattacke des 11. September 2001, die 2.988 Menschen das Leben kostete. Oder sie gleichen dem täglichen Absturz von 15 Airbus 320 Passagiermaschinen mit je 150 Menschen an Bord jeden Tag“, schrieben Steven Woolf (Zentrum für Gesellschaft und Gesundheit der Virginia Commonwealth University) und zwei Co-Autoren in der JAMA.

241.000 neue Fälle an einem Tag

Die Zahlen sind aktuell noch viel schlimmer: Am Freitag (15. Jänner) wurden in den USA 240.925 neue Fälle von SARS-CoV-2-Infektionen registriert - binnen 14 Tagen ein Anstieg um 19 Prozent. Es gab an diesem Tag 3.744 Covid-19-Todesfälle (plus 32 Prozent im Vergleich zu vor zwei Wochen). 23,6 Millionen Fällen der Infektion stehen in den USA bereits fast 393.000 Todesfälle gegenüber.

Acht Monate auf Platz 3

Laut den Experten liegt Covid-19 für die Gesamtbevölkerung der USA bereits an dritter Stelle aller Todesursachen, wenn man den Zeitraum von März bis Oktober 2020 (acht Monate) heranzieht: An den Folgen einer SARS-CoV-2-Infektion starben in diesem Zeitraum 698,8 Personen pro Million Einwohner. Diese Mortalitätsrate war die dritthöchste nach jener durch Herz-Erkrankungen mit 1.287,7 Todesfällen pro Million Einwohner und jener durch Krebsleiden (1.219,8/Million Einwohner). Zum Vergleich: Die Mortalitätsrate bei chronischen Lungenerkrankungen (COPD) lag bei 307,5 pro Million Einwohner, jene durch Verkehrsunfälle bei 89,2 je einer Million Menschen.

Todeszahlen verdreifacht

Das zieht sich durch alle Altersgruppen. Bei den über 85-Jährigen betrug zwischen März und Oktober 2020 die Covid-19-Sterberate 10.699,7 pro Million Menschen. Das war bereits der zweithöchste Wert nach jener für die Herzkrankheiten (24.530,2 pro Million) und noch vor den Krebserkrankungen (10.442,4/Million).

Die stellt aber die aktuelle Situation nur unzureichend dar. Zwischen Anfang November 2020 und 13. Dezember des vergangenen Jahres hatten sich nämlich die Covid-19-Todeszahlen von täglich rund 800 auf etwa 2.400 bereits verdreifacht. Jahrzehntelang hätte es in den USA pro Tag etwa 1.700 Todesfälle durch Herzleiden und etwa 1.600 infolge von Krebs gegeben, schrieben Woolf und seine Co-Autoren. „Mit der Covid-19-Mortalität, welche diese Schwellen übersteigt, ist diese Infektionskrankheit tödlicher als die Herzkrankheiten und Krebs geworden (...).“ Hinzurechnen müsse man aber auch noch alle Todesfälle, die als indirekte Folge der Pandemie aufträten.