Russland-Experte: "Es wird nur Verlierer geben"
Wie konnte die Situation in der Ukraine derartig eskalieren? Im „Club 3“ war dazu der Historiker und Russland-Experte Stefan Karner von der Universität Graz zu Gast. Das Gespräch führten Konrad Kramar vom KURIER, Christa Zöchling vom profil und Erich Vogl von der Kronen Zeitung.
„Eine wirkliche Begründung für diesen Angriffskrieg kann ich nicht sehen“, stellte Karner zu Beginn fest. Er habe Kontakt zu Menschen in Russland und auch in der Ukraine – viele hätten die Hoffnung fast verloren und beteten für ein Ende des Krieges.
Auch der Experte zeigte sich ob der rasanten Entwicklung überrascht: Bis Ende Jänner habe er sich noch selbst in Moskau aufgehalten. „Alle haben gehofft, dass es nur eine Drohkulisse ist, die aufgebaut wird“, erklärte er. „Anfang Februar habe ich noch jedem gesagt, es wird nicht zum Krieg kommen.“ Doch dann erfolgte am 24. Februar der Angriff auf die Ukraine: „Da war für mich klar, dass es hier letztlich nur mehr Verlierer geben wird – auf beiden Seiten. Und auch Europa wird verlieren. Das heißt, es wird nur Verlierer geben.“
Karner hielt sich ab dem Jahr 1974 immer wieder in Russland auf, er sei auch mit der Sprache und der Kultur des Landes vertraut.
„Wie du und ich“
„Man muss zwischen dem System und den Menschen unterscheiden. Das sind ja Menschen wie du und ich – mit ihren Sorgen, mit ihren Problemen“, betonte er. Es habe zwar einst durchaus eine starke Zustimmung für Putin gegeben. Freilich sei es oft nicht möglich, die Meinung frei zu äußern, auch die Medien seien eingeschränkt. „Aber jetzt kippt die Zustimmung bei den Menschen, mit denen ich rede. Und das sind Menschen von der Straße – nicht nur Künstler oder Intellektueller. Das ist ein Umbruch“, sagte der Historiker.
Auf die Frage, wie man Putin stoppen könnte, hatte auch der Experte noch keine Antwort. „Vielleicht gibt es noch eine Möglichkeit für Putin, das Gesicht zu wahren.“ Diese Möglichkeit werde aber mit jedem Tag kleiner. „Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Niemand weiß es“, fügte Karner hinzu.