"Parteipolitisches Gezänk": Auslandsmedien über Österreichs Corona-Politik
"Zögerlich, ziellos, zerstritten – Wie Österreichs Regierung dem Land den vierten Lockdown einbrockte": So lautet der Titel eines Beitrags des Handelsblatts. Angesichts des starken Anstiegs der Infektionszahlen in Deutschland wird bekanntlich auch dort über härtere Maßnahmen bis hin zur Impfpflicht debattiert; ein Blick über die Grenze zum kleinen Nachbarn liegt da nahe.
Aber auch Medien in Ungarn und Großbritannien interessieren sich für Österreich, dessen politische Akteure und deren Vorgehen in der Corona-Krise. Ein Überblick.
Handelsblatt (Deutschland)
"Österreich ein Paradebeispiel dafür, was geschieht, wenn in der Pandemiebekämpfung parteipolitisches Gezänk die Oberhand gewinnt. Das wirkte sich besonders auf das Bundesland Oberösterreich aus, das schwer von der vierten Pandemiewelle getroffen wurde.
Die Opposition wirft der ÖVP und Landeshauptmann Thomas Stelzer "bewusste Untätigkeit im Sommer" vor. Hier schwingt der Vorwurf mit, ÖVP-Vertreter hätten die Infektionslage vor den Landtagswahlen im September schöngeredet. Dies mit dem Hintergedanken, der FPÖ, deren Mitglieder die Corona-Maßnahmen teilweise vehement ablehnen, keine Munition zu liefern."
Frankfurter Allgemeine Zeitung (Deutschland)
"Es lohnt sich, sich das von Deutschland aus anzuschauen. Denn unähnlich ist die Entwicklung ja nicht, nur vielleicht noch einen oder zwei Schritte hinterher. Im Sommer hatte die Kanzlerpartei ÖVP plakatiert: 'Pandemie gemeistert, Krise bekämpft'. Das hat in paradoxer Folge dazu geführt, dass die Behauptung widerlegt werden würde.
Denn dazu gehörte eine Politik, die Nachdruck vermissen ließ und es bei moralischen Appellen zum Impfen beließ. Das hat in erster Linie der damalige Regierungschef Sebastian Kurz zu verantworten.
Aber auch der grüne Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein kann sich nicht hinter dem Kanzler verstecken, weder dem früheren noch dem heutigen. Zumal Fachminister in Wien rein rechtlich stärker sind als in Deutschland, denn der österreichische Bundeskanzler hat keine Richtlinienkompetenz.
(...) Die Affären um den ÖVP-Chef kann man so oder so beurteilen, da ist die Sache nicht so eindeutig, wie von Kurz' Gegnern gern getan wird. Aber dass die neu formierte ÖVP-Regierungsriege dann die von Woche zu Woche dringender notwendigen Reaktionen auf die vierte Corona-Welle abgeblockt hat, um eine Parole ihres in den Hintergrund getretenen Parteichefs zu retten, hat den Schaden verschlimmert.
Österreich brauchte einen Kanzler, der mit eigener Autorität das Land führt, und das kann Alexander Schallenberg bei allem guten Willen nicht sein, solange Kurz von hinten mitsteuert."
Nepszava (Ungarn)
"Der derzeitige FPÖ-Chef Herbert Kickl möchte gerne in die Fußstapfen seines 'großen' Vorgängers (Jörg) Haider treten. Zynisch nutzt er die Unwissenheit einer bestimmten Bevölkerungsschicht aus, raffiniert vermengt er die Impfgegnerschaft mit extremem Populismus.
(...) Doch es ist bei weitem nicht nur Kickls Fehler, dass Österreich zu einem Land der Widersprüche wurde. Eine große Rolle spielte dabei der zum Rücktritt gezwungene Bundeskanzler Sebastian Kurz, der nichts gegen die Pandemie tat und von dem sich im Nachhinein (im Zuge staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen) herausstellte, dass er in der Sportart Zynismus unschlagbar ist.
Bei uns (in Ungarn) wurde oft gesagt, Österreich sei (in der Corona-Politik) 'unser Versuchslabor'. Schade, dass wir (von Österreich) nur das Schlechte übernehmen. Zum Beispiel die fatalen Fehler des politischen Systems." (Übersetzung durch die deutsche dpa)
The Guardian (Großbritannien)
"Österreich war schon einmal ein Vorbote der europäischen Covid-19-Politik. Am 8. November führte es in einem vergeblichen Versuch, die Fallzahlen unter Kontrolle zu bringen, eine sogenannte '2G'-Regel an Veranstaltungsorten wie Restaurants, Kinos und Fitnessstudios ein, die besagt, dass nur Personen Zutritt haben, die in den vorangegangenen sechs Monaten eine Doppelimpfung erhalten haben oder von Covid-19 genesen sind.
Österreich hat es vorgemacht, andere sind gefolgt, darunter auch viele deutsche Bundesländer. Länder, die nach wie vor mit Ausbrüchen und hartnäckig niedrigen Impfraten zu kämpfen haben, werden die Einführung des österreichischen Impfmandats genau beobachten, möglicherweise als Wegweiser für künftige Entwicklungen."