Politik/Ausland

Nordkorea: Was ist dran an den Gerüchten über Kims Tod?

Ist Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un bereits gestorben? Und hält das Regime in Pjöngjang wie immer, wenn der Diktator stirbt, die Nachricht tagelang vor der Öffentlichkeit zurück?

Dass der 36-jährige Machthaber seit zwei Wochen nicht mehr zu sehen war, befeuert im abgeschlossensten Land der Welt die Gerüchte. Das stärkste Indiz, dass Ungewöhnliches vor sich geht: Kim hatte am 15. April nicht an der traditionellen Veranstaltung anlässlich des Geburtstages seines 1994 verstorbenen Großvaters, Nordkoreas Staatsgründer Kim Il-sung, teilgenommen. Ein für Nordkorea unerhörtes Versäumnis.

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Zweifel an Todesnachrichten angebracht

Das lässt nicht nur bei Nordkoreas Nachbarn Südkorea und China die Alarmglocken läuten. Denn an den Entwicklungen im Land der Kim-Dynastie hängt die Stabilität in ganz Südostasien.

Wer überhaupt nach Nordkorea einreisen darf, hat keine Möglichkeit, von dort frei zu berichten. Telefone, Intranet, alles wird strengstens kontrolliert. Mit schonungslosen Tatsachenberichten aus der mit grausamsten Mitteln niedergehaltenen Diktatur hält man sich besser zurück, bis man das Land wieder verlassen hat.

Gerüchte über Kim Jong-Uns Tod wecken deshalb viele Zweifel: Nach einer misslungenen Herzoperation soll der schwer übergewichtige Mittdreißiger, der dem Rauchen und dem Whisky nicht abgeneigt sein soll, am Samstag verstorben sein, meldete ein chinesischer TV-Sender in Hongkong.

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Satellitenbilder von Kims Privatzug

Seriöse Nachrichtenportale wie etwa 38north.org, die mit guten Quellen im Land seit Jahren über Nordkorea berichten, hingegen meldeten gestern: Die Lage im Land sei ruhig, nirgendwo seien auffällige Zeichen der Unruhe zu entdecken. Und Kim Jong-Un dürfte sich in der Stadt Wonsan aufhalten. In dem riesigen neuen, von Kim errichteten Gebäudekomplex am Meer, sei jedenfalls von Satellitenbildern sein 250 Meter langer Privatzug erspäht worden.

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Das Regime des isolierten Staates schweigt indessen eisern über den Gesundheitszustand seines Machthabers. Für die hinter Kim Jong-Un stehende, herrschende Machtkreise um Partei und Militär hat die jetzt gefährlichste Zeit begonnen: Wer folgt Kim nach, wenn er tatsächlich stirbt?

Dass die einst kommunistische, heute mehr eine streng nationalistische Einparteien-Diktatur sofort implodiert, bezweifeln Nordkorea-Kenner: „Ich wäre überrascht, wenn sich nicht wieder irgendein Hardliner finden würde, der Nordkorea genau in dem Zustand hält, wie es jetzt ist“, sagt Robert Kelly, Professor an der Uni in Pusan (Südkorea).

Denn Kim Jong-Un gelang es, das Land seit seinem Machtantritt vor neun Jahren erstaunlich zu stabilisieren. Er hat „seine politischen Bemühungen in Richtung wirtschaftliche Verbesserungen fokussiert“ schreibt auch Rüdiger Frank (Uni Wien), der wohl beste Nordkorea-Kenner in Österreich.

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Propagandacoup

Gleichzeitig gelang dem nordkoreanischen Machthaber ein riesiger Propagandacoup: Zwei Mal traf er US-Präsident Donald Trump. Das befreite Nordkorea zwar nicht von den Wirtschaftssanktionen, sicherte dem Land aber enormen Prestigegewinn. Nordkorea und seine atomaren Ambitionen werden ernst genommen, lautete die Botschaft.

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Eine 32-Jährige an der Spitze?

Wer aber könnte Kim Jong-Un nachfolgen?  „Seine Schwester“, besagen die meisten Gerüchte. Tatsächlich gilt die um vier Jahre jüngere Kim Yo-jong als eine der engsten politischen Vertrauten ihres Bruders. Sie verhandelt im Hintergrund mit, war bei den Treffen ihres Bruders mit Trump dabei, traf Südkoreas Präsidenten und hat seit kurzem wieder eine zentrale Rolle im mächtigen Politbüro.

Doch dass die 32-jährige junge Frau das „Kim-Familien-Business“ weiterführt und die Macht übernimmt, bezweifeln Nordkorea-Kenner. Im stark konfuzianisch geprägten Land stehen Frauen, und ganz besonders junge Frauen, immer noch in der zweiten Reihe. Dass sich Kim Yo-jong im einem kommenden Machtkampf zwischen Armee und Partei durchsetzt, scheint fraglich.

Mit Sorge verfolgen jedenfalls Nordkoreas Nachbarn China und Südkorea die Ereignisse im abgeschotteten Land. Riesige Flüchtlingsströme werden befürchtet, sollten in Nordkorea Unruhen ausbrechen.

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Die gefährlichste Grenze der Welt

Und vor allem: Obgleich bitterarm, strotzt das Land vor Waffen – möglichweise auch atomaren, vor allem von konventionellen und chemischen Massenvernichtungswaffen. Das Land stabil zu halten, und sei es eben auch um den Preis dort anhaltender Unterdrückung und Diktatur, das war bisher das vorrangigste Ziel seiner Nachbarstaaten. Um Nordkorea kam es schon einmal zum Krieg zwischen China und den USA (1950 bis 53) – mit verheerenden Folgen. Bis heute verläuft entlang des 38. Breitengrades die gefährlichste und am schärfsten bewachte Grenze der Welt – zwischen Nord- und Südkorea.