Keine Putin-Ikone und keine Siegesfeier: Kreml-Chef in der Krise
Von Konrad Kramar
Wladimir Putin und Josef Stalin gemeinsam unter dem segnenden Blick der Muttergottes: So war der Plan für eines der größten Mosaike in der neuen "Kirche des Sieges". Heute, Samstag, anlässlich des Jahrestages des Sieges über Hitlerdeutschland, hätte das monumentale Gebäude unweit von Moskau feierlich eingeweiht werden sollen.
Aus beidem wird nun nichts. Wegen der Corona-Pandemie sind sämtliche Feiern zum "Tag des Sieges" in Russland abgesagt worden und das Mosaik mit den beiden Staatschefs löste sogar im sonst so führungstreuen Russland eine so heftige Debatte aus, dass es schließlich wieder aus der neuen Kirche entfernt wurde. Stalin wird auf dem Bild von jubelnden Massen für den Sieg im "Großen Vaterländischen Krieg" gefeiert, Putin feiert mit Soldaten den Anschluss der Krim an Russland 2014.
Putin verärgert
Fotos des Bildes waren aus der Werkstatt des Künstlers an die Öffentlichkeit gelangt und hatten vor allem für Kritik an der Verherrlichung Stalins gesorgt. Puti reagierte merklich verärgtert und ließ über seinen Sprecher ausrichten: "Irgendwann werden dankbare Nachfahren unsere Verdienste anerkennen, aber jetzt ist es dafür noch zu früh". Statt der Politiker werden nun angeblich Mönche abgebildet, die den Anschluss der Krim feiern.
Kirche auf Armeegelände
Die monumentale "Kirche des Sieges" im militärischen Themenpark Patriot bei
Moskau ist Russlands drittgrößte Kathedrale und ein Prestigeprojekt. Sie sollte in einer Festveranstaltung mit Veteranen des
Zweiten Weltkrieges und ranghohen Politikern eingeweiht werden.
Präsident Wladimir Putin widmete die Militärkathedrale dem „Sieg unseres Volkes“ im
Zweiten Weltkrieg, wie er bei der gemeinsamen Grundsteinlegung mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. im September 2018 sagte.
Schlichte Zeremonie
Das Gotteshaus mit einer fast 100 Meter hohen goldenen Hauptkuppel bietet nach offiziellen Angaben rund 6.000 Menschen Platz, an vergangenen Mittwoch wurde es in einer schlichten Zeremonie übergeben.
Blumen an der Kreml-Mauer
Für Putin nicht nur eine persönliche Enttäuschung, sondern auch eine politische Niederlage. Ganz so wie auch die Absage der traditionellen Militärparade auf dem Roten Platz. Diese sollte ja heuer zum 75. Jahrestag des Sieges besonders pompös ausfallen. Stattdessen legte Putin Blumen am Kriegsdenkmal mit dem ewigen Licht außerhalb der Kreml-Mauern
nieder und hielt eine Rede.
"Russland ist unbesiegbar"
Er erinnerte an die großen Verdienste der Roten Armee: "Sie haben das Vaterland gerettet, das Leben der künftigen Generationen geschützt. Sie haben Europa befreit und die Welt beschützt" Der Präsident sagte bei leichtem Regen, dass die Opfer niemals vergessen würden und die Siegesparade nachgeholt werde. "Wir verbeugen uns vor der Generation der großen Sieger", sagte er. Russland sei unbesiegbar. Kampfjet-Formationen derLuftwaffe überflogen zur Feier des Tages rund 50 Städte.
Doch das alles kann die Inszenierung der Siegesfeier nicht ersetzen.
Von der Pandemie schwer getroffen
Zugleich breitet sich die Corona-Pandemie gerade in Russland mit wachsender Geschwindigkeit aus. Gab es im größten Staat des Globus anfangs nur überraschend wenig Fälle, änderte sich das gerade in den vergangenen Wochen radikal - und die Kreml-Führung, die anfangs noch großzügig medizinisches Material nach Italien geschickt hatte, wurde kalt erwischt.
Zweifelhafte Todesraten
Am Samstag lag Russland mit knapp 198.000 bestätigten Infektionen weltweit an fünfter Stelle bei der Pandemie. Gleichzeitig meldete das Land nur 1.827 Todesfälle - eine Quote von 0,9 Prozent, die weit niedriger ist als in den zehn am meisten betroffenen Ländern. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Todesrate bei 4,2 Prozent.
Viele Russen zweifeln die Zahlen deshalb auch an. Daraufhin betonten das Gesundheitsministerium und die zuständige Aufsichtsbehörde Rospotrebnadsor, die Zahlen spiegelten die schnelle Reaktion des Landes auf die Pandemie wider.
Schnelle Isolierung von Patienten
In einer Erklärung hieß es, Russland stehe mit mehr als 4,46 Millionen Tests weltweit an zweiter Stelle hinter den USA.
So könnten "Patienten mit leichtem Verlauf als auch solche ohne Symptome identifiziert und schnell isoliert werden", was die Ausbreitung des Virus in der Öffentlichkeit und bei bestimmten Risikogruppen deutlich verringert habe.