Politik/Ausland

Justin Trudeau: Der Saubermann schon wieder in Erklärungsnot

Justin Trudeau (47) wurde als Shootingstar gefeiert. Liberale und Linke jubelten, als er 2015 Premier von Kanada wurde. In einer Zeit, in der Rechtspopulisten und autoritäre Herrscher auf dem Vormarsch waren, schaffte es der telegene Spross einer Politikerfamilie an die Spitze des nordamerikanischen Staates. Seine Politik der Menschlichkeit - insbesondere Flüchtlingen gegenüber - machte ihn zur Hoffnung der Liberalen auch außerhalb Kanadas, in den USA und Europa.

Doch regelmäßig muss sich der 47-Jährige scharfer Kritik stellen. Der aktuellste Fall: Ein jüngst in der "Time" veröffentlichtes Foto aus dem Jahr 2001, das den damals 29-Jährigen auf einem Kostümfest mit braun oder schwarz angemaltem Gesicht zeigt. Im amerikanischen Raum wird die Praxis, sich als Weißer das Gesicht schwarz anzumalen, um einen Schwarzen darzustellen, "Blackfacing" genannt. Sie gilt als schwer rassistisch.

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Auf dem jüngst verbreiteten Foto ist Trudeau als "Aladdin" verkleidet. Er besuchte damals einen Schulball, der unter dem Motto "Arabian Nights" lief.

Justin Trudeau trat noch am Mittwoch vor die Presse und bat um Entschuldigung für die Maskerade. "Ich hätte das nicht tun sollen. Ich hätte es besser wissen müssen - habe ich aber nicht. Und es tut mir wirklich leid." Sein ganzes Leben sei er gegen Intoleranz und Diskriminierung eingetreten. Er habe damals auch nicht realisiert, dass diese Verkleidung rassistisch sei, was er heute aber anders sehe. "Ich habe zahlreiche Kollegen und Freunde bereits angerufen, um zu sagen, dass es mir leid tut", so Trudeau.

Sorry, sorry, sorry

Doch es scheint, als ob der einst als Saubermann gefeierte Politiker aus dem Entschuldigen gar nicht mehr herauskommt. Erst im August hatte ihn eine Korruptionsaffäre ins Schwitzen gebracht. Nachdem die parlamentarische Ethikkommission Trudeaus Einflussnahme auf die Justiz gerügt hatte, trat der Premier auch in diesem Fall vor die Medien. "Ich übernehme die volle Verantwortung für das, was in meiner Amtszeit passiert ist", gab er damals zu.

Es ging um den Fall des Baukonzerns SNC-Lavalin. Dieser soll zwischen 2001 und 2011 Schmiergelder in Millionenhöhe an die Familie des früheren libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi gezahlt haben, um sich neue Aufträge zu sichern. Trudeaus Justizministerin Jody Wilson-Raybould hat Ermittlungen gegen den Baukonzern eingeleitet. Doch Trudeau soll versucht haben, diese zu bremsen. Wilson-Raybould trat zurück. Das alles hätte nicht passieren dürfen, sagte Trudeau später. Doch er begründete seine Intervention damit, tausende kanadische Arbeitsplätze gerettet zu haben.

Doch der Abstieg des Shootingstars war bereits schon vorher prognostiziert worden. Denn die Kritik war - auch unter den Unterstützern des liberalen Premiers - groß, als er sich mit seiner Familie bei einem Staatsbesuch in Indien in traditionellen Gewändern inszenierte.

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Nicht nur der eigentliche Fehler, nämlich, dass ein verurteilter Sikh-Terrorist zu einem Dinner der kanadischen Delegation geladen war, erntete Kritik zuhause. Sondern auch die oben erwähnte "Aneignung einer fremden Kultur". Die Bilder verfolgen Justin Trudeau nun auch im aktuellen Wahlkampf.

Nur etwas mehr als einen Monat vor den Parlamentswahlen in Kanada kommt die neuerliche Kritik für Trudeau denkbar ungünstig. Die Regierung Trudeaus, die sich Toleranz, Feminismus, Menschlichkeit und Klimaschutz auf die Ahornblatt-Fahne heftet, muss sich unter anderem dafür rechtfertigen, Waffen an Saudi-Arabien zu verkaufen und eine riesige Ölpipeline erweitern zu wollen. Die Trans Mountain Pipeline soll Bitumenöl aus den Ölsandfeldern Albertas an die Pazifikküste bringen. Meistens im Fokus von Trudeaus Entschuldigungen: kanadische Arbeitsplätze. "Die große Mehrheit der Kanadier versteht, dass die Wirtschaft wachsen muss und wir gleichzeitig die Umwelt schützen müssen."

Das "Blackface" wird Trudeau nicht mit Arbeitsplätzen rechtfertigen können, sondern nur mit "Dummheit". Das räumte er selbst ein. Doch bei den Wahlen könnten ihm und seiner Liberalen Partei Kanadas einige Stimmen der nicht-weißen Kanadier abgehen.