Havanna-Syndrom in Wien: "Das scheint mir sehr eigenartig“
Washington, China, London, Kolumbien, Usbekistan und jetzt auch Wien: Die US-Regierung untersucht eine Reihe unerklärlicher Krankheitsfälle ihres Personals in der Wiener Botschaft. Die Betroffenen klagten über plötzlich auftretenden Schwindel und Kopfschmerzen.
Seit dem Amtsantritt von US-Präsident Joe Biden sollen etwa zwei Dutzend US-Geheimdienstmitarbeiter, Diplomaten und andere Regierungsbeamte in der Bundeshauptstadt unter den mysteriösen Beschwerden leiden. Das berichtet zumindest das Magazin The New Yorker.
Die Symptome aus Wien sollen jenen gleichen, die 2016 erstmals von Botschaftsmitarbeitern und Geheimdienstlern auf Kuba in der Präsidentschaftszeit von Barack Obama gemeldet worden sind und unter dem Namen Havanna-Syndrom weltbekannt wurden.
Die Erkrankten – Botschaftsmitarbeiter, Soldaten und CIA-Agenten der USA – berichten, dass die Beschwerden oft örtlich wie innerhalb des Botschaftsgebäudes gebunden waren. Manche litten nur wenige Sekunden unter Kopfschmerzen und Schwindel oder berichteten von Druckwellen im Kopf, andere wurden berufsunfähig.
Gedächtnisverlust und Gehörlosigkeit gehören zu den schweren Krankheitsbildern. Immer wieder wollten einige schrille Töne ähnlich Zikaden-Geräuschen in ihrem Umfeld gehört haben, als der Kopfschmerz auftrat.
Ursache für Krankheitsbild bleibt unbekannt
Bis heute kennt man die Ursache für das Krankheitsbild nicht. Die Amerikanische Akademie der Wissenschaft (National Academy of Sciences) geht von einer feindlichen Attacke mit gepulster Radiofrequenzenergie (Mikrowellen) aus. Fachleute diskutierten auch eine Art Massenpsychose: Man redet sich Symptome ein, die man von anderen kennt.
Eine Theorie, die auch der Grazer Geheimdienstexperte Siegfried Beer vertritt: „Bezüglich des Havanna-Syndroms gibt es seit fünf Jahren nichts Nachweisbares“, sagt er im KURIER-Gespräch. „Heutzutage mag ja vieles möglich sein, aber das scheint mir sehr eigenartig“, sagt Beer, der auch in der Geschichte im New Yorker vorkommt. Allerdings sei er zu einem ganz anderen Thema interviewt worden und seine Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen worden.
Zurück zum Havanna-Syndrom: Nach den ersten Meldungen über die Krankheit publizierten Wissenschaftler ein Buch dazu und auch sie seien zu keinen konkreten Ergebnissen gekommen. „Und dass sich diese Angriffe unter Präsident Joe Biden derart gehäuft haben sollen, dazu finde ich auch keine plausible Erklärung“, sagt Beer, Gründer des Austrian Center for Intelligence, Propaganda and Security Studies (ACIPSS) an der Universität Graz.
Die Biden-Regierung jedenfalls scheint entschlossen, das Problem viel ernster als noch Biden-Vorgänger Donald Trump zu nehmen. Die Zweifler innerhalb der CIA wurden von ihren Posten entfernt. CIA-Direktor William Burns traf sich persönlich mit Opfern, kümmert sich um medizinische Betreuung und lässt den US-Kongress regelmäßig mit neuen Informationen zum Thema versorgen. Man werde, so betont eine Regierungssprecherin gegenüber der New York Times, alle verfügbaren Mittel ausschöpfen, „um dieser Sache endlich auf den Grund zu kommen.“
US-Behörden untersuchen Fälle
Experten des US-Außenministeriums, des Verteidigungsministeriums sowie der Auslandsgeheimdienst CIA sind mit dem Fall befasst: "Gemeinsam mit anderen Regierungsabteilungen untersuchen wir Berichte über mögliche ungeklärte Gesundheitsvorfälle in der US-Botschaft in Wien", teilte das Außenministerium in einer ersten Stellungnahme mit. Alle Betroffenen seien "umgehend und angemessen" behandelt worden.
Burns bezeichnete die Symptome als "Angriffe" und nicht als Vorfälle. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte: "In Abstimmung mit unseren Partnern in der gesamten US-Regierung untersuchen wir mit Nachdruck Berichte über mögliche unerklärliche gesundheitliche Zwischenfälle in der Gemeinschaft der US-Botschaft Wien."
Spionage-Stadt Wien
Spionagetätigkeiten gibt es in Wien grundsätzlich viele. Nicht nur die CIA, die in der Bundeshauptstadt ein großes Büro unterhält oder der russische FSB sind hier vertreten. Auch eine stattliche Anzahl nordkoreanischer Spione soll in Wien ihre Basis haben. Als Standort einiger internationaler Institutionen zieht Wien auch Geheimdienstmitarbeiter aus aller Herren Länder, wie etwa aus Syrien oder dem Iran an. Insgesamt dürften sich 7.000 Spione in Wien aufhalten.