Politik/Ausland

Fall George Floyd: Schuldsprüche gegen Ex-Polizist

Vor dem Hennepin-Gerichtsgebäude in Minneapolis und am "Cup Foods"-Supermarkt einige Meilen entfernt brachen um 16.05 Uhr Ortszeit Menschen in Freudentränen aus: Die Geschworenen haben gesprochen. Der Mann, unter dessen Knie George Floyd am 25. Mai vergangenen Jahres elendig starb, ist schuldig. Officer Derek Chauvin geht ins Gefängnis. Die Jury hielt den 45 Jahre alten Ex-Polizisten, der das Urteil hinter der Coronaschutzmaske regungslos hinnahm und danach in Handschellen abgeführt wurde, in allen drei Anklagepunkten schuldig.

Aber Minneapolis und Amerika, wo die Anspannung vor dem Urteilspruch zuletzt kaum mehr zu ertragen war, sind noch nicht über den Berg. Vom Strafmaß, dass Richter Peter Cahill erst in zwei Monaten bekanntgeben wird, wird abhängen, wie hoch die Wellen schlagen. Oder im schlimmsten Fall die Flammen.
Derek Chauvin war mit drei verschiedenen Anklagen konfrontiert: Mord zweiten Grades ohne Vorsatz - Höchststrafe auf dem Papier 40 Jahre. Mord dritten Grades - Höchststrafe 25 Jahre. Totschlag zweiten Grades - Höchststrafe: zehn Jahre.

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Die Strafen summieren sich theoretisch auf maximal 75 Jahre. Praktisch wären es nach Angaben von Rechtsexperten in Minneapolis maximal cirka 30 Jahre. Zweimal 12,5 Jahre nach den Strafmaß-Richtlinien des Bundesstaates Minnesota für Erst-Täter ohne Vorgeschichte für die ersten beiden Anklagepunkte - und vier Jahre für den Totschlag zweiten Grades. Da Chauvin keine Vorstrafen hat, wird allerdings mit einer insgesamt geringeren Haftstrafe gerechnet.

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George Floyd (46) war am 25. Mai 2020 in Minneapolis bei einer Festnahme vor einem Supermarkt, in dem er mit einem gefälschten 20-Dollar-Schein bezahlen wollte, ums Leben gekommen. Officer Chauvin hatte das Genick des Schwarzen fast neuneinhalb Minuten mit dem Knie auf den Asphalt gepresst. Obwohl Floyd mehrfach schrie, dass er nicht mehr atmen könne. 

 

Der Polizeieinsatz war von Passanten mit der Handy-Kameras festgehalten worden. Im Anschluss hatte es in mehreren Städten schwere Ausschreitungen gegeben. Die Protestbewegung "Black Lives Matter" (Schwarzes Leben zählt) erhielt enormen Auftrieb. 

Im Prozess hatte die Anklage herausgearbeitet, dass Chauvins Verhalten "unverhältnismäßig" und "rechtswidrig" gewesen sei. "Das war keine Polizeiarbeit, das war Mord", sagte Staatsanwalt Schleicher. Eric Nelson, der Verteidiger Chauvins, bezeichnete seinen Mandanten als "vernünftigen Beamten", der "berechtigt" und "angemessen" gemäß den Verhaltensregeln seiner Behörde gegen einen Widerstand leistenden Tatverdächtigen agiert habe. Für den Tod Floyds sei eine Herzkrankheit und Drogenmissbrauch verantwortlich gewesen, nicht Chauvin.

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Die 12-köpfige Jury, in der Afro-Amerikaner in der Unterzahl waren, folgte einhellig der Anklage. Danach war das Martyrium, in das Chauvin Floyd zwang, "unentschuldbar". Es bestand zu keiner Zeit die Notwendigkeit, einen Mann wegen eines Allerweltsdelikts wie ein Tier fast zehn Minuten am Boden zu fixieren, bis er stirbt, hatte die Staatsanwaltschaft ausgeführt.

Ben Crump, der Anwalt der Angehörigen Floyds, die von der Stadt Minneapolis 27 Millionen Dollar Entschädigung zugesprochen bekommen haben, sprach von einem "Wendepunkt in der Geschichte". Der Schuldspruch sei die "verdiente Gerechtigkeit" für den Schmerz der Familie Floyds.

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