Donald Trump: "Im Dampfwalzen-Modus"
Von Dirk Hautkapp
Wie Gott in Frankreich leben. Das schöne Bonmot hat vor dem G7-Gipfel im französischen Biarritz einen unerwartet bitteren Beigeschmack bekommen. Donald Trump, seit Amtsantritt 2017 ohnehin das „Enfant terrible“ im Bund der großen Industrie-Nationen, hat sich vor der Anreise an die Atlantik-Küste als Gesandter Gottes präsentiert.
„Ich bin der Auserwählte“, sagte Amerikas Präsident, bezogen auf seine Anführer-Rolle im Handelskrieg gegen China und blickte dabei mit Würde in den Washingtoner Himmel.
Eine Anekdote, die für das Stelldichein der Staats- und Regierungschefs von Kanada, Japan, Deutschland, Großbritannien, Italien, Amerika und den Top-Vertretern der EU am Wochenende in Biarritz nichts Gutes verheißt. „Hybris und Querschüsse ist man von Trump gewohnt“, sagt ein alt gedienter EU-Diplomat in Washington zum KURIER, „aber was sich zurzeit abspielt, sprengt die bekannten Dimensionen.“
„Warnschuss“
Als jüngstes Indiz wird das an bockige Kindergarten-Kinder erinnernde Auftreten Trumps gegenüber Dänemark gewertet. Dass Kopenhagen Trumps Kaufinteresse an Grönland abwies, sich dafür vom Präsidenten als „gemein“ titulieren lassen musste und eines für September geplanten Staatsbesuchs verlustig ging, sehen Washingtoner Denkfabriken als „Warnschuss“ für Biarritz.
„Der Präsident ist im Dampfwalzen-Modus“, heißt es in der renommierten US-Denkfabrik Cato-Institute, und er werde versuchen, Boris „Brexit“ Johnson für seine Interessen einzuspannen. Das erste Opfer könnte Emmanuel Macrons Tagesordnung für Biarritz werden. Soziale Ungleichheit, Klimaschutz, Geschlechtergerechtigkeit – mit Trumps „America First“-Priorität habe das nichts zu tun. „Und das wird er zeigen.“
Den Grund für die Krawall-Lust des Präsidenten sehen Analysten im Vorwahl-Fieber. Seit sein Lieblings-TV-Sender Fox News Umfragen verbreitet, die ihm gegen vier potenzielle demokratische Herausforderer 2020 Niederlagen prophezeien, sei Trump „im Ausnahmezustand“ und versuche nur noch, seine Wähler-Basis aufzupeitschen.
Darum die frische Attacke in Sachen Terrorismus. Wenn Europa nicht schleunigst von den USA in Syrien internierte Kämpfer des IS zurücknehme, sagte Trump, „habe ich keine andere Wahl, als sie in die Länder freizulassen, aus denen sie gekommen sind“. Gesondert nannte er Deutschland und Frankreich.
Hört man Diplomaten im Washingtoner Außenministerium, wird das „nicht der einzige Fehdehandschuh“ sein, den Trump in Biarritz fallen lässt. Bei der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 werde sich Berlin abermals anhören müssen, dass es nicht sein könne, sich von den USA militärisch schützen und von Russland mit Gas beliefern zu lassen.
Wobei Trump Moskau wieder in den G-Kreis aufnehmen möchte. Schon 2020 in den USA soll es unter seiner Führung gemeinsam mit Wladimir Putin G8 statt G7 heißen.
Hohes Eklat-Potenzial
Das Eklat-Potenzial in Frankreich ist „hoch“, weil Trump „die Probleme über den Kopf wachsen“, sagen demokratische Abgeordnete. Über allem stehen Zweifel am präsidialen Wirtschaftswunder, während sich parallel das jährliche Staatsdefizit der 1.000 Milliarden-Dollar-Grenze nähert und das Weltwirtschaftsklima eintrübt.
Dazu kommen außenpolitische Flops. China lässt sich bisher nicht mit dem Sonder-Zoll-Regime auf die Knie zwingen, von dem Trump behauptet, dass es die eigenen Konsumenten nicht in Mitleidenschaft ziehe.
Das Kräftemessen mit dem Iran hat kein Einlenken des Mullah-Regimes gebracht.
Nordkoreas Diktator Kim Jong-un treibt Trump mit Raketentests vor sich her, um eine Aufhebung der Wirtschaftssanktionen zu erreichen – bei minimalen Zugeständnissen an der Atom-Front. Von Trumps gescheiterten Versuchen, sich in Venezuela, im Hongkong-Streit wie in der Fehde um Kaschmir als Friedensmakler anzudienen, ganz zu schweigen.
„Biarritz wird einen angeschlagenen Schein-Riesen erleben“, prophezeit ein Politik-Analyst der American University in Washington, „und das ist gefährlich.“