Politik/Ausland

Brexit: Warum die Trennung noch lange dauern wird

Boris Johnson hat viele Gelegenheiten genutzt, die Europäische Union und die Beamten in Brüssel zu diskreditieren. „Italien scheitert an den Maßen der Kondome“, schrieb er im britischen Daily Telegraph über die Regulierungswut der EU und ihr Scheitern an der Realität.

Das war 1991. Seither legte Johnson, der in den zwei Jahrzehnten dazwischen Londoner Bürgermeister, Außenminister und mittlerweile Premierminister geworden ist, regelmäßig mit EU-Kritik im ohnehin schon EU-kritischen Vereinigten Königreich nach.

„Bringen wir den Brexit durch!“ Diese Message hämmerte er jetzt im Wahlkampf in die Köpfe der Briten. Damit hatte er auch zuletzt seine Wähler überzeugt: Den Brexit durchbringen. Doch was wie eine gemachte Sache klingen mag, ist aber noch lange nicht erledigt.

Allerfrühestens 2021

Egal mit welchem Premier, egal mit welcher Parlamentsmehrheit – bis zur endgültigen Emanzipation Großbritanniens von der Europäischen Union werden noch viele Monate vergehen. Und zwar selbst dann, wenn das derzeit feststehende Austrittsdatum des 31. Jänner 2020 eingehalten wird.

Warum?

Mit dem vom alten Parlament angenommenen Austrittsabkommen, das Boris Johnson mit der EU ausverhandelt hat, könnte Großbritannien zwar mit Ende Jänner austreten. Doch zumindest bis zum Ende des Jahres 2020 bleibt trotzdem noch alles gleich. Denn innerhalb dieser knapp einjährigen Übergangsfrist muss das Königreich – ab nun ein Drittstaat – mit Brüssel ein völlig neues Handelsabkommen ausverhandeln. Alles muss jetzt von Null weg ausgedealt werden: Warenverkehr, Fischereirechte, innere Sicherheit, Umweltstandards. Gut möglich, dass London mit der EU auch wieder über Kondome und deren Maße verhandeln muss.

Seitens der EU wurde bereits vor der Briten-Wahl auf Hochtouren an den Eckpunkten des Abkommens gearbeitet, hört man aus Brüssel. Wer aber auf der britischen Seite sitzen wird, und mit wie viel Expertise die möglichen britischen Verhandler ausgestattet sein werden, darüber gibt es durchaus geteilte Meinungen.

Oder doch Dezember 2022?

Theoretisch könnte diese Übergangszeit, die im Dezember 2020 endet, auch noch um ein oder zwei Jahre verlängert werden. Ausgeschlossen, sagte zumindest Johnson. Doch das hatte man schon oft von ihm gehört.

Realistischerweise muss man jedenfalls mit einer Verlängerung rechnen. Denn selbst, wenn die Verhandlungen schnell und professionell über die Bühne gehen – ein Handelsabkommen müsste in allen verbleibenden 27 nationalen Parlamenten ratifiziert werden.