Die Kindererziehung von 1993 – und ihre unentdeckten Langzeitfolgen
Von Agnes Preusser
Dieser Tage war zu lesen, dass es schädlich sei und Kinder in ihrer Geschlechtsidentität verwirre, wenn Männer in Frauenkleidern (konkret: Drag Queens) ihnen aus einem Buch vorlesen. Verlautbart haben das unter anderem ÖVP und FPÖ mit Presseaussendungen, dafür ohne wissenschaftliche Belege.
Jetzt muss ich leider festhalten, dass meine Eltern wohl gänzlich unbedarft an das Thema Kindererziehung herangegangen sind – gemeinsam mit Millionen anderer Eltern. Vor 30 Jahren wurden unzählige Kinder, so auch ich, Robin Williams in Frauenkleidern ausgesetzt, denn 1993 kam der Film „Mrs. Doubtfire – Das stachelige Kindermädchen“ in die Kinos. Damals lachten wir unschuldig vor den Bildschirmen, ohne an die Langzeitfolgen zu denken.
Damit endete es in unserem Haushalt aber nicht. Die gemeinsame Liebe zur griechischen Mythologie von meiner Mutter und mir führte dazu, dass ich unweigerlich mit Achill konfrontiert wurde, der zwischenzeitlich versteckt lebte – und das in Frauenkleidern. Mein Vater las mir am Abend aus einem Buch über einen kleinen Buben vor, der mit seiner eigenen Identität nicht zufrieden war und statt einer Holzpuppe lieber ein echter Junge sein wollte. Nicht schwer zu erraten: Es war Pinocchio. Und mein eigenes Lieblingsbuch handelte vom Mädchen Alanna, das sich jahrelang als Mann verkleidete, weil sie gerne Ritter werden wollte, und das ihrem eigenen Geschlecht verwehrt war. Was das alles bewirkt hat, ist unklar.
Die Wiener Ärztekammer bietet unterdessen eine Fortbildung zu Homöopathie bei Long Covid an. Das ist ähnlich wissenschaftlich fundiert wie die oben genannten Presseaussendungen. Edzard Ernst, der weltweit erste Inhaber eines Lehrstuhls für Alternativmedizin, kommentierte das darum mit den Worten: „Hat die Wiener Ärztekammer den Verstand verloren?“
Vielleicht haben sie ja auch bald Globuli gegen „Mrs. Doubtfire“ im Angebot.