Online-Schule für syrische Kinder
Eine Gruppe von syrischen Akademikern hat eine virtuelle Schule gegründet. Sie unterrichten ehrenamtlich Kinder, die wegen des Bürgerkrieges nicht die Schule besuchen können.
Das syrische Staatsfernsehen zeigt in diesen Tagen ständig Kinder in Schuluniformen, die in ihren Klassenräumen sitzen. Die Bilder sollen den Anschein erwecken, es sei im Prinzip alles in Ordnung im Reich von Präsident Bashar al-Assad. Doch Tatsache ist, dass Hunderttausende von syrischen Schülern nicht mehr unterrichtet werden. Für einige von ihnen ist es schon das zweite Schuljahr ohne Unterricht.
Viele Schüler sitzen seit Monaten beschäftigungslos in den Flüchtlingslagern in den Nachbarländern. Nur einige wenige profitieren von Behelfsschulen, wie sie das UN-Kinderhilfswerk UNICEF kürzlich im jordanischen Flüchtlingslager Al-Saatari eröffnet hat.
Selbst in den Vierteln in Syrien, wo die Schulen geöffnet sind, hocken die Kinder oft zu Hause, weil ihre Eltern angesichts von Heckenschützen und Sprengstoffanschlägen Angst haben, sie zur Schule zu schicken. Etliche Schulen sind zudem geschlossen, weil die Klassenräume entweder von Vertriebenen bewohnt werden oder von Rebellen zu Kommandozentralen umfunktioniert wurden. Die Aktivisten der Revolutionsbewegung haben zwar inzwischen in einigen "befreiten Gebieten" Moscheen zu Klassenräumen umfunktioniert. Doch auch dort fehlt es an Lehrern und Schulbüchern.
Madrasa Online
Die Englischlehrerin Maisa Jamil (33) aus Damaskus wollte etwas unternehmen dagegen, "dass unsere Kinder nichts mehr lernen". Im vergangenen Monat hat sie deshalb zusammen mit anderen Akademikern für diese Kinder eine Art Notunterricht im Internet organisiert. "Madrasa Online" (Online-Schule) nennt sich das Projekt, für das sich die Schüler auf einer Seite im sozialen Netzwerk Facebook registrieren lassen können. "Wir sind eine Gruppe, die keinen politischen Hintergrund hat", betont die Lehrerin.
Wer sich in der virtuellen Schule einschreibt, kann auch dann mitmachen, wenn er die Lehrbücher der staatlichen Schulen nicht hat. Denn "Madrasa Online" bietet die Bücher online an.
Die rund 50 Lehrer, die Jamil zusammengetrommelt hat, leben in Syrien und im Ausland. Einige sind erst kürzlich wegen des Bürgerkrieges geflohen, andere leben schon länger im Exil. Sie alle arbeiten ehrenamtlich an dem Projekt mit, das inzwischen von rund 7000 Schülern mehr oder weniger intensiv genutzt wird. "Für mich ist es inzwischen ein Vollzeit-Job, der mich 20 Stunden pro Tag in Anspruch nimmt", sagt Jamil.
Der Lehrerin kommt dabei zugute, dass sie sich schon im Studium auf die Sprachvermittlung per E-Learning spezialisiert hatte. Sie sagt: "Unser Unterricht läuft meist schriftlich ab. Doch unsere Lehrer, die Englisch oder Französisch anbieten, nehmen ihren Unterricht oft auch mit der Videokamera auf, damit die Schüler die richtige Aussprache lernen."Nur zwei Probleme kann Maisa Jamil nicht lösen: Da nicht absehbar ist, wie lange der Bürgerkrieg noch andauern wird, weiß niemand, ob und wann ihre Schüler Prüfungen ablegen können. Außerdem haben viele der traumatisierten Kinder, die im Bombenhagel ihre Heimat verlassen haben, keinen Internetzugang.