Meinung

Bildungsreform – Klotzen oder Clustern?

Es gibt zu viele Risikoschüler und zu wenige Spitzenschüler

Prof. Mag Kurt Riedl
über den Reformstau im Schulbereich

Die derzeitige österreichische Schullandschaft ist seit vielen Jahren im Reformmodus. Ein Gesamtbildungskonzept, das beim Kindergarten beginnt, zentrale Prüfungen auch auf dem Weg zur Zentralmatura vorsieht, gibt es nicht! Die Zentralmatura im AHS / BHS-Bereich, inklusive schultypenspezifisch noch ausbaufähiger teilzentraler Aufgabenstellungen,ist trotz Implementierungspannen oder Anforderungsdiskrepanzen zwischen schriftlicher Prüfung und mündlicher Kompensationsprüfung ein Schritt in die richtige Richtung.

PISA-Ergebnisse und andere internationale Leistungsstandmessungen zeigen, dass es in Österreichs Schulen (Alternativschulen verweigern Messungen aus Prinzip) im Vergleich zu Deutschland und anderen Ländern in sprachlichen und kognitiven Bereichen zu viele Risikoschüler und zu wenige Spitzenschüler gibt.

Qualität

Reformmaßnahmen müssen vor allem der Verbesserung der Unterrichtsqualität und der Schülerleistungen dienen. Ein Supportsystem vor allem für Brennpunktschulen mit Sozialarbeitern, Schulpsychologen, Sprach- und Förderlehrern ist zwar geplant, die Implementierung hakt jedoch in den Details. Obwohl zahlreiche öffentliche und private Schulen Österreichs gute Arbeit leisten, bedarf es substantieller Anstrengungen für eine nachvollziehbare Effizienzsteigerung in allen Schulen. Merkbare Ergebnisse brauchen Zeit, doch ohne konkrete Maßnahmen auf dem Weg dorthin ändert sich gar nichts.

Jede Lernform, ob Frontal – oder Gruppenunterricht, offenes Lernen, Projektunterricht, oder „blended learning“ ist am Erfolg zu messen, steht und fällt mit der fachlichen und pädagogischen Qualifikation der Lehrpersonen, der altersadäquaten und fachbezogenen Interpretation des Begriffs Leistung, vor allem aber mit einer unabdingbaren Voraussetzung – der Lernmotivation jugendlicher Lernender.

In der Volksschule müssen – heute wie gestern - die für die Teilhabe am kulturellen und gesellschaftlichen Leben notwendigen Kulturtechniken entwickelt und Defizite im sozialen Umfeld der Kinder kompensiert werden. Trotz präziser Vorgaben[1] können aber zu viele Kinder nach der Volksschule nicht ausreichend lesen, schreiben und rechnen, was natürlich Auswirkungen auf alle weiteren Bildungsphasen hat.

Beurteilungssystem

Die Schullaufbahn eines Kindes unserer einzigen österreichischen Gesamtschule hängt nach wie vor allein von der Beurteilung der Volkschullehrerin und / oder dem sozialen Status des Elternhauses ab. Objektivierte zentrale Messungen gibt es zwar nach der 4. und 8.Schulstufe, sie werden auch bundesweit durchgeführt und analysiert, aber für die Entscheidung über die weitere Schullaufbahn nicht herangezogen. Nicht einmal eine Kombination aus Lehrerbeurteilung und externer Messung wird überlegt. Eine objektivierte Leistungsmessung bundesweit festgelegter Bildungsziele gekoppelt mit sachlichen fundierten Rückmeldungen an die unmittelbar Betroffenen ist offensichtlich bis zur Zentralmatura nicht erwünscht. Warum? Gäbe es diese Messungen und das Feedback, käme es zu einem fairen Wettbewerb, der unter Berücksichtigung der Ausgangssituation sowie der Rahmenbedingungen der jeweiligen Schulen wertvolle Erkenntnisse bringen würde. Die meisten Lehrpersonen lieben ihren Beruf und wissen, dass Bildungsdefizite nicht nur der Zukunft unserer Jugend, sondern auch der Schule als Bildungsinstitution und dem gesellschaftlichen Zusammenleben schaden.

Kurt Riedl Salzburg - Schulleiter a.D./Volkschullehrer/Lehrer BMHS/Erwachsenenbildung/FH Sachbuchautor Österreichs Schulen am Scheideweg? Verlag BoD April 2015 ISBN 9783738668117


[1] Bundesinstituts für Bildung BIFIE https://www.bifie.at/ Lehrpläne / Bildungsstandards für Deutsch und Mathematik Grundstufe I und II