"Werdet enden wie Charlie Hebdo!": Serbisches Blatt "Danas" schwer bedroht
Von Mirad Odobašić
"Belgrader Charlie Hebdo". So lautete der Betreff der E-Mail, die am Sonntagmorgen in Dragoljub Petrovićs Inbox reingeflattert war. Darin wird nicht nur der Chefredakteur der unabhängigen Belgrader Tageszeitung Danas, sondern die gesamte Redaktion schwer bedroht - unter anderem mit Kugelsalven. Der Grund sei die redaktionelle Politik des 1997 gegründeten Blattes, heißt es in der Droh-Mail.
Droh-Mail an die Tageszeitung Danas
"Ich fühle ich mich verpflichtet, Sie als Chefredakteur der Tageszeitung Danas, darüber zu informieren, dass Sie, Ihre Journalisten und Kolumnisten in Lebensgefahr sind. Ihr seid im Visier von bestimmten rechtsextremen Strukturen, die im Schatten leben. Ich beziehe mich nicht auf die 'Mainstream'-Rechten, die von SNS (regierende Partei in Serbien, Anm.) kontrolliert werden ...", heißt es zu Beginn der Mail, die threateningaccount@proton.me als Absender trägt. Extrem wird das Schreiben nach der "höflichen" Einleitung:
"Nur, wenn ihr eines Morgens auf dem Weg in die Redaktion seid, euren Morgenkaffee kocht und mit den Kollegen nonchalant über die Familie, den Sport, das Wetter oder irgendeinen Klatsch plaudert, und plötzlich eine Salve von Kugeln beginnt, eure Fenster zu zerschlagen und über euren Köpfen abzuprallen, werdet ihr in euren Köpfen den Film zurückdrehen - vom Schulbeginn, den ersten Kuss und Sex, euer erstes Gehalt, die Hochzeit und die Geburt eurer Kinder ... Die Worte, die ihr in dieser E-Mail lest, werden das Letzte sein, was ihr sehen werdet, bevor eine Kugel durch euren Schädel geht und euch in den Limbus schickt".
Danas-Redakteure seien "Verräter des serbischen Volks"
Der Grund für die Drohung sei die Berichterstattung der Zeitung über Themen im Zusammenhang mit dem Kosovo, der Republika Srpska und Montenegro. "Unter dem Deckmantel der objektiven und unparteiischen Berichterstattung" habe man sich auf die Seite albanischer Separatisten gestellt und würde in Superlativen über den kosovarischen Politiker und Aktivisten Albin Kurti berichten. "Ganz zu schweigen von der Beleidigung der serbischen Bevölkerung der Republika Srpska, die ihr 'genozides Volk' nennt, die Republika Srpska selbst als eine 'völkermörderische Schöpfung'".
"Indem ihr euch auf die Seite des Feindes des serbischen Volkes stellt, habt ihr euch selbst das Etikett der Landesverräter verpasst, auf die die Mehrheit der Serben nicht mit Begeisterung blicken wird (...) Aus dem Schatten kommt eine neue Generation serbischer Nationalisten hervor, die unbestechlich, nicht korrumpiert und vor allem ehrenhaft ist. Ein großer Teil der ungenannten rechtsgerichteten Gemeinschaften ist mit keiner rechtsgerichteten Organisation aus Serbien und Europa verbunden, was sie für Strafverfolgungs- und Geheimdienste unsichtbar macht, da sie von Natur aus dezentralisiert sind", wird in der E-Mail erklärt.
Keine Drohnachrichten wie sonst
Die Droh-E-Mail wurde am Sonntagnachmittag an die für Hightech-Kriminalität zuständige Polizei und Staatsanwaltschaft weitergeleitet. "Wir erwarten, dass die zuständigen Behörden schnellstmöglich reagieren und den Verfasser der E-Mail, der auf diese Weise die Sicherheit aller Mitarbeiter in unserer Redaktion bedroht hat, ausfindig machen. Wir sind aufgrund unserer Redaktionspolitik bereits daran gewöhnt, Drohungen zu erhalten, aber eine so grausame Drohung, dass unsere Journalisten, Redakteure und Kolumnisten wie die Kollegen von Charlie Hebdo enden, hat es noch nie gegeben", erklärte Dragoljub Petrović, Chefredakteur von Danas.
Am Montagmorgen erklärte der Chefredakteur der Online-Ausgabe Danas.rs, Bojan Cvejić, dass die zuständigen Behörden rasch reagiert hätten. Die Redaktion sei gleich von der Staatsanwaltschaft und der Polizei kontaktiert wurden. Die lokale Polizeibehörde versprach, die Patrouillen um das im Belgrader Zentrum gelegene Redaktionsgebäude zu verstärken.
"Einige Kollegen haben Angst, und selbst diejenigen, die keine Angst haben, fühlen sich nicht wohl. Deshalb haben wir gestern eine E-Mail an alle gesendet, dass jeder, der sich nicht wohl und sicher fühlt, heute von zu Hause aus arbeiten kann", sagt Cvejić und weist darauf hin, dass Danas-Journalisten oft Drohnachrichten erhalten. Diese E-Mail sei jedoch nicht impulsiv gewesen, sondern von jemandem gesendet, der die Arbeit der Redaktion verfolgt. Das Schrecklichste sei aus seiner Sicht die Tatsache, dass Danas mit Charlie Hebdo verglichen werde - eine der größten Tragödien in der Geschichte des Journalismus sei.