Neues Social-Media-Gesetz in Türkei: "Zukunft düster"
Oppositionspolitiker, Aktivisten und Journalisten in der Türkei haben wegen eines Social-Media-Gesetzesentwurfs Alarm geschlagen. "Jeder und alles, was der Regierung nicht passt, kann ins Visier genommen werden", sagte der Cyberrechts-Aktivist Yaman Akdeniz der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag.
Das Gesetz muss noch vom Parlament verabschiedet werden. Dort hält die regierende AKP eine Mehrheit mit ihrem Partner, der ultranationalistischen MHP. Von beiden stammt der Entwurf.
"Vage und offen für Willkür"
Besonders ein Artikel über die Verbreitung von Falschinformationen hatte für viel Diskussion gesorgt. Demnach drohen bis zu drei Jahre Gefängnis, wenn etwa mit dem Motiv, Beunruhigung auszulösen, Falschinformationen zur inneren und äußeren Sicherheit des Landes, der öffentlichen Ordnung und allgemeinen Gesundheit verbreitet werden. Mustafa Yeneroğlu von der oppositionellen Deva-Partei kritisierte Formulierungen in dem Entwurf als vage und offen für Willkür.
Auch für Online-Medien sieht das Gesetz neue Regeln vor. Journalistenverbände warnten, der Gesetzentwurf könne zu einem der strengsten Zensur- und Selbstzensurmechanismen in der Geschichte der türkischen Republik werden. Ünal Ceviköz, Politiker der größten Oppositionspartei CHP, kündigte den Kampf gegen eine "Mentalität" an, die "Rechte mit Füßen" trete.
In Hinblick auf Parlamentswahlen 2023?
Befürworter des Gesetzes argumentieren, Desinformation habe sich zu einer "ernsthaften Bedrohung" für den Zugang zu "wahren" Informationen entwickelt. Die Bekämpfung einer solchen "Bedrohung" sei notwendig, um Grundrechte und Grundfreiheiten zu schützen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte soziale Medien in der Vergangenheit etwa als Bedrohung für die Demokratie bezeichnet.
"Die Zukunft der Grundfreiheiten in der Türkei sieht düster aus", sagte Akdeniz. Den Entwurf nannte er "den finalen Versuch der Regierung, die Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei durch die Schaffung eines Klimas der Angst zu unterdrücken". "Das wird ihre neueste Waffe vor den Parlamentswahlen 2023 sein."