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Ein Leben in der Türkei - Wie soll sich das ausgehen?

Jedes Mal, sobald ich den Fuß aus dem Flieger setze, und das erste Mal türkischen Boden betrete, denke ich mir: Ah, wie sehr habe ich es vermisst. Die Erde, die Luft, die Landschaft. Es ist im Grunde die selbe, aber ich bilde mir ein, es ist doch alles anders. Alles leichter.

In Österreich lebe und arbeite ich. Hier spielt sich mein Alltag ab. In der Türkei, in der Heimat meiner Eltern, da atme ich auf. Schon irgendwie komisch, sowas über einen Ort zu sagen, an dem ich selber nie gelebt habe.

Aber hier leben so viele geliebte Menschen, hier habe ich die beste Zeit meiner Kindheit verbracht. Die Türkei, sie kam mir immer vor wie eine Blase voller Geborgenheit und ohne Sorgen. Sie war immer für mich da. Nun, zumindest bevor eine Pandemie unser Leben bestimmte.

März 2020 wäre mein letzter geplanter Besuch in die Türkei gewesen. Der hat – Sie wissen, warum – nicht stattgefunden. Danach wollte ich mal abwarten, bis sich die Situation wieder beruhigt (wird sie das je wieder?), oder es passte in der Arbeit einfach nicht. So vergingen zweieinhalb Jahre, in denen ich meine Blase nicht besuchen konnte. Die Freude übers Wiedersehen war dementsprechend groß – auch wenn ich diesmal, mehr denn je, realisierte, dass es in meiner Blase sehr wohl Sorgen und Ängste gibt.

Viele Veränderungen

Die Pandemie bestimmt auch hier das Leben. Überschwängliche Umarmungen, und Bussi rechts, links – sonst Usus in diesen Breitengraden – sind durch ein unsicheres Corona-Nicken ersetzt worden. Der furchtbare Krieg existiert hier auch. Ja, an der Küste des Schwarzen Meeres ist er sogar bedrohend nah. „Habt ihr auch von der Wassermine gehört, die bei uns angespült wurde“, ist ein Satz, den ich mehr als einmal höre. Wäre da nicht die allgemein katastrophale Lage des eigenen Landes, würde man darüber vielleicht sogar noch länger reden. Aber da ist schon wieder etwas teuer geworden. Die Rekordinflation lässt grüßen.

16 Lira kriege ich mittlerweile für einen Euro. Bei meinem letzten Besuch waren es nur sechs. Mit den hunderten Lira in meiner Geldbörse komme ich ganz schön reich vor. Solange zumindest, bis ich merke, dass ein Kaffee 20 Lira kostet. In meinem Kopf rechne ich ständig alles um. 4.253 Lira ist der Mindestlohn in der Türkei, von dem Millionen Menschen leben. Ich frage mich die ganze Zeit: Wie soll sich das ausgehen? „Bin ich froh, dass ich hier nicht lebe“, denke ich oft danach - Schuldgefühle inklusive.

Aber manches ändert sich nie

Schön ist der Besuch dennoch. Denn bei all den (negativen) Veränderungen: Manche Sachen ändern sich in meiner geliebten Blase nie: Die Dadjokes meines Onkels. Das gute Essen meiner Tanten, sowie das türkische Kaffeetrinken danach. Oder dass mir, Vollzeitarbeitenden, mit 26 Jahren, noch immer Taschengeld aufgezwungen wird.