Leben/Gesellschaft

Tiere verstehen lernen

Wenn Fische durchs Aquarium blubbern, ist ihnen nicht anzusehen, ob sie innerlich lachen, ob sie sich gerade über einen Artgenossen ärgern, ob sie den Kescher fürchten oder traurig sind über den Tod eines Mitschwimmers. Doch keine Frage: Tiere haben Emotionen. Vor allem Säugetiere verfügen über ein breites Repertoire, diese auch auszudrücken.

KURIER-Tiercoach Dagmar Schratter kennt Studien, die den Beweis für tierische Gefühle liefern. Die Direktorin des Tiergarten Schönbrunn ist aber auch mit der Praxis vertraut. Sie versteht die Sprache von Hund, Katze & Co. und hat Tipps, wie Heimtierhalter die Gemütsregungen ihres Liebling deuten lernen.

„Vor einigen Jahren war noch umstritten, ob Tiere Emotionen haben. Inzwischen stellt die Wissenschaft das nicht mehr infrage", sagt Schratter. Tiere können Freude und Angst unterscheiden, Wohlbehagen und Schmerz. Nicht zuletzt berücksichtigt das österreichische Tierschutzgesetz diese Empfindungen, die mehr widerspiegeln als die reine Körperverfassung. Das limbische System ist in der Tierwelt weit verbreitet, es ist jener Bereich des Gehirns, der für die Verarbeitung von Emotionen zuständig ist.

Überlebenswichtig Depressionen oder Stress zum Beispiel lassen sich an der Aktivierung spezieller Gehirnstrukturen ablesen. Andere Emotionen wie Furcht und Aggression wiederum sind für viele Tiere überlebenswichtig. Die aktuelle Frage der Forscher lautet daher: „Erleben Tiere diese Emotionen bewusst oder nicht?"

„Tatsache ist, Heimtiere zeigen ein reiches Gefühlsleben. Es ist wichtig, sich mit diesen Signalen auseinanderzusetzen und sie zu verstehen", sagt die Expertin. Hunde, Katzen, Kleintiere und Vögel kehren ihr Innenleben in Ausdruck- und Verhaltensweisen nach außen. Für Heimtierhalter ist es schwierig, die richtigen Hinweise zu finden. Diese zu interpretieren, ist eine noch größere Herausforderung. Außerdem: „Man darf menschliche Gefühle nicht auf Heimtiere projizieren", warnt der Tiercoach und rät, Fachwissen zu nutzen, viel zu lesen und sich intensiv mit dem Schützling zu beschäftigen: „Im Laufe der Zeit wird es einfacher, die Zeichen zu verstehen."

Die Signale und Emotionen richtig deuten

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Gerade bei einem neuen Heimtier ist es schwierig, die Signale zu unterscheiden und die Emotionen richtig zu lesen", sagt Schratter. Doch für ein harmonisches Miteinander müssen Haustierhalter das Gefühlsleben von Hund, Katze, Kleintier oder Vogel durchschauen. Hier ein paar Beispiele:

Hunde drücken ihre Empfindungen auf viele Arten aus, die Körpersprache ist dabei am deutlichsten. Gut gelaunt steht das Tier ruhig und fest da und lässt die Muskeln locker. Geht alles nach hinten, ist es verängstigt. „Die größten Missverständnisse betreffen das Bellen und das Wedeln", sagt die Expertin. Ein Hund erhebt aus Freude seine Stimme oder zum Drohen. Bewegt er die Rute hin und her, zeigt er Erregung an – im Sinne von Freude oder aus Nervosität. Hängt der Schwanz locker, ist der Vierbeiner gelassen; ist der Schwanz unter den Bauch gezogen, hat er Angst. Nur ein entspanntes Tier schläft komplett in Seitenlage, bei Stress ruht allein das Kinn am Boden.

Katzen verfügen ebenfalls über ein reiches Repertoire an Gefühlen – und Ausdrucksmöglichkeiten dafür. Sie kommunizieren in erster Linie über Mimik und Körpersprache. Ein hoch erhobener Schwanz signalisiert Wohlbefinden. Ein langsames Hin-und-Her-Schlagen des Schwanzes bedeutet Vorsicht, es ist auch vor dem Angriff zu sehen. Streckt der Vierbeiner dem Zweibeiner sein Hinterteil entgegen, tut er das aus echter Sympathie: „Präsentieren Katzen ihre Duftdrüsen, ist das ein Zeichen von besonderem Vertrauen", erklärt Schratter. Aufgerissenen Augen, angelegten Ohren sowie Fauchen liegt Angst zugrunde. Schnurren Katzen tief, teilen sie ihr Wohlbehagen mit.

Meerschweinchen verlassen sich beim Übermitteln ihrer Emotionen eher auf Laute als auf Körpersignale. Hohe Töne bedeuten Angst, Murmeln und Grunzen hingegen drücken positive Gefühle aus. Kaninchen sind eher still. Geben sie Laute von sich, tun sie das nie aus Freude. Fiepen sie laut, haben sie Angst. Fühlen sie sich bedroht, reagieren sie mit Warntrommeln. Mümmeln sie und wälzen sie sich auf dem Boden, sind sie entspannt.

Ziervögel sind in ihren Gefühlsäußerungen sehr komplex und schwierig zu verstehen – die gut erforschten Papageien ausgenommen: Pressen Papageien die Federn eng an den Körper und starren ins Leere, haben sie Angst. Spreizen sie ihre Kopffedern ab, verengen sich die Pupillen, sind sie aggressiv. Sitzen sie mit lockerem Federkleid einbeinig auf der Stange, ist Entspannung angesagt.